Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken
Autoren: Katinka Buddenkotte
Vom Netzwerk:
durchaus benutzt habe. Es ist nicht wirklich dreckig bei mir, eher – trostlos. Mit viel gutem Willen könnte man meinen Einrichtungsstil auch als »puristisch« bezeichnen, Katja nennt es »Knastcharme«.
    Bei wenig Möbeln sieht man den Staub halt deutlicher, und wenn die Möbel aus Sperrmüllfunden bestehen, fügt es sich zu einem Gesamtbild, das »… einfach nicht altersgemäß ist, Doris Kindermann! Ich glaube, das Hauptproblem ist der Boden«, orakelt die selbsternannte Innenarchitektin und nippt zur Abwechslung am Sekt. Ich zünde mir eine Zigarette an und bedauere still, dass aus alten Freundinnen meist keine neuen Weisheiten fließen.
    Der Boden war schon immer das Problem.
    Als ich einzog, bestand er aus fleckigblauem Linoleum.
    »Leg doch ein paar schöne Teppiche über die schlimmsten Stellen«, empfahl meine Schwester, deren Lebensprinzip es ist, schlimme Stellen hübsch zu verdecken. Ihre selbstgebackenen Kuchen sind mit Vorsicht zu genießen, denn unter der Zuckerglasur beißt man immer auf Verbranntes.
    »Mietminderung, mindestens dreißig Prozent«, grummelte mein Bruder, der damals gerade in einem Maklerbüro arbeitete.
    »Na, entweder bleibst du hier sowieso nicht lange wohnen, oder du machst hier einen vernünftigen Boden rein, wenn du Geld verdienst«, sagte meine Mutter, und so wird es wohl auch eines Tages kommen. Irgendwann werde ich mir genug Geld auf die Seite legen können, um davon vierundvierzig Quadratmeter Parkettboden zu kaufen. Das wird ein großer Tag.
    »Erde an Doki, Erde an Doki!«, Katja schnippt mit ihren Fingern dicht vor meinem Gesicht.
    »Hey, Fräulein, wir hatten etwas verabredet: Wenn wir heute in der Vergangenheit schwelgen, denken wir nur an die guten Dinge, richtig? Du guckst gerade, als würdest du in Gedanken den Leidensweg Christi abgehen, mit zwei Kreuzen auf dem Buckel.«
    Ich schiebe Katjas Finger sanft aus meinem Gesichtsfeld und gönne mir den Luxus, noch ein wenig nachzugrummeln. Schließlich hat Katja mit dem Fußboden angefangen, jetzt soll sie auch die ganze Geschichte hören: »Weißt du eigentlich, dass sich meine Jugendliebe wegen dieses Fußbodens von mir getrennt hat?«, frage ich wehmütig, und Katja verschluckt sich fast: »Das ist die dümmste Ausrede, die ich je gehört habe, Frau Kindermann. Wer war denn der Idiot?«
    »Gunnar natürlich!«, winsele ich, weil ich Katja doch schon öfter von meinem ersten Freund erzählt habe. Von der elften Klasse bis kurz nach dem Abitur waren wir das Traumpaar der Schule. Beziehungsweise waren alle anderen Mädchen neidisch, dass der schöne Gunnar mich erwählt hatte. Diese Schnepfen hätten sich bestimmt diebisch gefreut, wenn sie von dem kläglichen Ende dieser großen Romanze gehört hätten. Ein Grund für mich, niemals ein Klassentreffen zu besuchen, aber meiner besten Freundin schildere ich nun in knappen Worten, wie es damals lief: »Also, es ging mehr um die gesamte Situation, die Stadt und meinen Entschluss, nicht mit ihm nach Leipzig zu ziehen, als die Schule vorbei war. Gunnar und ich standen hier, wo du gerade sitzt, und er hat rumgeschrien:
    ›In Leipzig liegt überall echtes, altes Holzparkett, die Mieten sind supergünstig, das ist eine tolle, aufregende Stadt!‹ Da habe ich ihn gefragt: ›Was soll ich denn machen in Leipzig?‹ Und weißt du, was mein toller, erster Freund daraufhin gesagt hat?« Natürlich kann Katja das nicht wissen, deswegen erzähle ich es ihr, in einer Stimmlage, die eher der der Supernanny als der meines Exfreundes ähnelt: »›Und, was willst du in dieser Stadt tun? Was macht man denn mit Theaterwissenschaften, du warst doch erst dreimal im Leben im Theater, Doris!‹
    Und da habe ich ihn rausgeworfen. Aus Spaß, weil ich dachte, er käme wieder, mit einer Pizza unterm Arm und einer Entschuldigung. Aber er kam nicht wieder. Statt Pizza holen zu gehen ist er nach Leipzig gezogen. Dort hat er sofort eine günstige neue Freundin gefunden, die schon auf tollem alten Parkett wohnte, eine, die nur auf ihn gewartet hat. Wie ich auf meine Pizza.«
    Katja schaut mich betroffen an: »Doki, darf ich einen Song daraus machen? Ich habe da schon eine Idee: I’m still waiting for my pizza and the love of my life …!«
    Das Tolle an Katja ist, dass ich in ihrer Gegenwart immer wieder zum Teenager werden kann.
    Ich schnappe mir ein Kissen und verprügle sie damit, sie kichert. Fehlt nur noch, dass wir Girls just wanna have fun auflegen und uns gegenseitig Lockenwickler eindrehen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher