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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken
Autoren: Katinka Buddenkotte
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dass er eine Menge Trinkgeld dalässt.
    Wenn Toddy gehobener Stimmung ist und einen Gast nicht mag, hält er nach der Eröffnung »Luxusgejammer« auch gerne noch einen Monolog über das karge Leben im dörflichen Schottland, das er nie geführt hat, zu dem er aber stets neue Einzelheiten erfindet. Je nach Tagesform hatte Toddy drei bis siebzehn jüngere Geschwister, die allesamt an der Schwindsucht und dem schrecklichen Essen gestorben sind, sodass er ganz allein ein Ochsenjoch über die steinigen Felder ziehen musste, im Sommer wie im Winter.
    Dem gebildeteren Publikum fällt schnell auf, dass Toddys erfundene Lebensgeschichte auf einem Sketch von Monty Python basiert, aber um drei Uhr nachts gibt es nicht mehr so viele Schlauköpfe an der Bar. Erst letzte Woche hat einer einen Zwanziger in das Sparschwein für Toddys vierfach amputierte Großmutter gesteckt, das wir vor Jahren zum Scherz aufgestellt haben.
    »Doki, trink mal aus, ich muss die Bar gleich aufmachen«, belehrt Toddy mich nun, und ich nehme einen letzten Schluck. Zwischen Toddy und mir herrscht das geheime Abkommen, dass ich Biere, die ich vor der Kneipenöffnung trinke, nicht bezahlen muss. Zum einen, weil Toddy damit Raffi ärgern kann, zum anderen, weil Toddy und ich mal eine kleine Tändelei hatten, bevor die Liebe seines Lebens, Linda mit dem Luxusgejammer, auf der Bildfläche erschienen ist. Lang ist’s her.
    »Okay, die Konzertkarten habe ich, dann hole ich jetzt Katja vom Bahnhof ab und wir sehen uns später. Bis dann, Toddy!«, rufe ich, und Toddy’s Augen blitzen:»Oh, Sexy-Katja gibt sich heute die Ehre, wie schön!«, sagt er verträumt, dann mustert er mich:»Doki, warum hast du dann das Kleid an, das ihr so gut steht? An dir ist es …«, Toddy wedelt mit den Händen und sucht in seinem Kopf nach dem Wort, das Linda wählen würde, findet es und spricht es eine Spur zu stolz aus: »verschwendet!«
    »Danke, Toddy«, murmle ich und stapfe Richtung Tür, in den Sonnenuntergang hinaus.
    Dabei krame ich in meiner Tasche nach Kleingeld und hoffe, dass es genug ist, um einen Zaubertrank zu kaufen, der Prinzessin Katja milde stimmen möge.
    »Frau Kindermann«, herrscht meine beste Freundin mich schon aus der Ferne an, »warum warte ich hier, mutterseelenallein auf dem Bahnsteig, ohne einen Schluck zu trinken oder sonstige Unterhaltung? Warum?«
    »Weil du die großmütigste, atemberaubendste und fabelhafteste Person der Welt bist, Frau Alpert«, beende ich unsere Begrüßungsformel, und wir umarmen uns. Ich spüre, dass es ein guter Abend wird, weil Katjas Umarmung ehrliche Freude ausdrückt. Aber als sie mich wieder loslässt, ein Stück von sich wegstupst, um mein Outfit zu kommentieren, fange ich mir natürlich einen Rüffel ein: »Doki, warum hast du das Kleid an? Ich wollte es mir doch leihen. Nicht, dass es nicht auch gut an dir aussieht, mit den langen Beinen, aber so oben rum?«
    »Verschwendet, ich weiß«, wiederhole ich Toddys Urteil reumütig, aber Katja schaut mich verwirrt an: »Ich wollte sagen: etwas anbiedernd – die obersten Knöpfe sind offen.«
    Es wird ein guter Abend: Wenn meine nicht vorhandenen Brüste einen Ausschnitt sprengen können, der an manchen Tagen selbst Katjas wogende Oberweite trägt, liegt doch eine gewisse Magie in der Luft. Katja holt mich auf den Boden der Tatsachen zurück:
    »Ich glaube, es ist auch kürzer geworden. Viel kürzer. Scheiße, Doki, hast du es vielleicht bei sechzig Grad gewaschen? Da passe ich doch nie wieder rein, verdammt.«
    Katja zündet sich eine Zigarette an und schnauft entrüstet.
    »Tschuldige, war keine Absicht«, nuschle ich, aber ich weiß, dass diese Entschuldigung sie nicht über den Verlust ihres Lieblingskleides hinwegtrösten wird, auch wenn es meins ist:
    »Ich habe gar nicht gemerkt, dass es enger ist, vielleicht habe ich seit dem letzten Mal, an dem ich es getragen habe, abgenommen.«
    Katja knurrt mich an. »Mach es nicht noch schlimmer, Bohnenstange.«
    Aber dann lächelt sie, als wäre ihr gerade etwas ganz Großartiges eingefallen, die Lösung aller Probleme, die Weltformel für das ewige Glück.
    »Da ich ja weiß«, hebt sie an, »wie überaus dusselig und unordentlich meine beste Freundin ist, habe ich selbstverständlich vorgesorgt. Ich habe mir – ausnahmsweise – das perfekte Ensemble für den Anlass zugelegt. Du wirst Augen machen, garantiert. Also, auf in die Bat-Höhle, Quasselwasser kippen und Cellulitis wegschminken!«, befiehlt sie, packt mich am
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