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Die Eiskrone

Die Eiskrone

Titel: Die Eiskrone
Autoren: Andre Norton
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    Roane spannte ihren zarten Körper an, bis er schmerzte, und bemühte sich, die Augen offenzuhalten. Onkel Offlas hatte ihr unzählige Male erklärt, daß dieses körperliche Unbehagen ausschließlich seelische Ursachen habe. Klammere man sich geistig an irgendeinen anderen Gedanken, während man im Expreßpfeil lebend begraben sei, dann verschwänden diese unangenehmen Empfindungen sofort wieder. So lag sie also in der Polsterung dieses rasenden Geschosses und versuchte, der Übelkeit Herr zu werden.
    Sie hatte Angst, zu ersticken. Sie ballte die Hände zu Fäusten und biß sich auf die Unterlippe, und der Schmerz half ein wenig. Onkel Offlas predigte ihr ständig, man könne mit allem fertig werden, wenn man es nur fest genug wolle. Leider reichte sie auch nicht annähernd an seinen Standard heran. Jetzt hatte sie endlich einmal die Möglichkeit, zu beweisen, daß sie etwas taugte, und da durfte sie natürlich nicht versagen.
    Sogar der Abteilungsleiter vom Schulungslager hatte sie beneidet. Diese Chance wurde ihr auch nur deshalb geboten, weil sie Offlas Keils Nichte war. Die Expedition nach Clio war also eine Familienangelegenheit – Projektdirektor Keil, sein Sohn Sandar und Roane.
    Sie versuchte ruhig und langsam zu atmen und ihre Augen geschlossen zu halten. Sie durfte nur an das Ziel denken, das vor ihr lag, und mußte vergessen, wo sie sich jetzt befand.
    Eine solche Expedition war eine Chance, wie sie sich einem nur ganz selten bot. Welches Glück hatte sie gehabt, daß sie mitkommen durfte! Nur … im Augenblick fühlte sie sich entsetzlich. Diese Enge vor allem war unerträglich. Sie fühlte sich wie ein Schwamm, den man in einen See geworfen hatte mit dem Befehl, diesen völlig aufzusaugen. Jeder mußte doch wissen, wie unmöglich das war, und sie mußte alles, was auf sie einstürmte, in Herz, Gehirn und Haut aufnehmen und konnte sich dabei nicht rühren, geschweige denn ausdehnen. Außerdem hatte man soviel an Wissen in ihren Kopf gestopft, daß gar nichts mehr Platz haben konnte.
    Clio gehörte zu den geschlossenen Planeten. Wegen ganz bestimmter Umstände hatte Onkel Offlas den Befehl erhalten, dort zu landen und so lange zu bleiben, bis sie den Schatz fanden.
    Schöne und kostbare Dinge interessieren Offlas Keil ganz und gar nicht. Ansehen, ja; vielleicht noch die historische Periode bestimmen, aus der er stammte, aber das war auch schon alles, denn mit Spielzeug gab er sich nicht ab. Von den Vorläufern etwas erfahren – das war interessant. Und dieser Schatz ließ sich nach einem Hinweis da und einem Tip dort in einem ganz bestimmten, eng umgrenzten Gebiet auf Clio vermuten.
    Da Clio ein geschlossener Planet war, mußte die Suche ganz geheim erfolgen. Sie durfte auch nicht lange dauern, und deshalb standen ihnen alle Hilfsmittel des Service zur Verfügung. Da man nicht auffallen durfte, mußte die Befehlsgruppe so klein wie möglich gehalten werden. Das war der Grund dafür, daß man Roane in das Schulungslager geschickt hatte, wo sie alles erfuhr, was sie über Clio wissen mußte.
    Sie überlegte sich, wie es wohl sein mochte, wenn man nicht nur ein paar Tage, sondern ein ganzes Leben auf einer dieser geschlossenen Welten verbringen mußte. Natürlich war die ganze Theorie, auf die jene Planeten zurückgingen, barer Unsinn. Die Manipulation menschlicher Wesen verstieß gegen die Vier Grundrechte, die für alle zivilisierten Welten maßgebend waren. Clio war vor zwei- oder dreihundert Jahren besiedelt worden – ganz genau wußte man es nicht, weil alles streng geheim behandelt worden war –, als die Psychokraten die Konföderation vor dem großen Umsturz beherrschten. Es war der dritte jener Experimentierplaneten, den man wiederentdeckt hatte, und den Gerüchten nach gab es noch wesentlich mehr. Man hatte keine Ahnung, wieviel es waren und wo man sie finden konnte. Als während der Revolution das Forqual Center zerbombt wurde, waren fast alle Unterlagen darüber verlorengegangen.
    Die Hierarchie der Psychokraten hatte damals diese Welten zur Durchführung verschiedener Projekte ausgewählt. Man hatte die ursprünglichen Kolonisten einer gründlichen Gehirnwäsche unterzogen und ihnen falsche Erinnerungen eingepflanzt. Sie wurden zu Gemeinden zusammengeschlossen, die auf diese Erinnerungen abgestellt waren. Anschließend ließ man sie arbeiten, wie sie wollten, damit sie neue Zivilisationstypen schaffen konnten. Man ließ ihnen auch die Freiheit, unzivilisiert zu bleiben. In
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