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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken
Autoren: Katinka Buddenkotte
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kommt Andi jetzt darauf? Und warum redet er in der Vergangenheitsform? Hat er die beiden vorgestern doch noch abgemurkst, mit Raffis Buttermesser? Vermute doch nicht immer das Naheliegendste, Doris Kindermann, bemüh einmal deine Fantasie, wage, das Unvorstellbare zu denken. Oder lass einfach Andi reden, solange du zu keinem vernünftigen Gedanken fähig bist. Der hört endlich auf, mit der Gabel in den Krümeln zu stochern und sagt: »Aber von dem lässt sie sich eins machen, klar!«
    Von dem. Von meinem Gunnar. Mein Mund steht immer noch offen, dafür redet sich Andi richtig in Rage: »Ja, wir kennen das, wir Landkinder, nicht? Ich meine, du kannst die schönste Sau im Stall haben, aber die sind auch die zickigsten. Der kannst du nicht einfach den besten Eber vorsetzen, die sucht sich den aus, den sie will. In England machen die das so: Die lassen erst so einen jungen, scharfen Hauer zu den Sauen, der macht die ganz wild. Wie so einer von den Chippendales. Aber wenn die Sauen dann ganz hin und weg sind, dann kommt der Eber, den sich der Bauer ausgesucht hat. So macht man das in der Schweinezucht.«
    Jetzt habe ich auch keinen Appetit mehr. Es wäre wenig hilfreich, Andi zu unterbrechen, um ihm zu sagen, dass er sich selbst nicht mit einem Schwein vergleichen sollte, das übernehmen schon andere. Und erst recht nicht sollte ich ihn korrigieren, indem ich erwähne, dass die Sau wohl doch ihren Willen bekommen hat. Ihren scharfen Hauer. Mit dem Eckzahn. Andi scheint besessen von seinem Schweinegleichnis. »… sie nennen diese jungen Eber ›Teaser Boar‹, genau so heißen die. So ein Anheizer eben nur. Nicht mehr.«
    Andis Blick ist glasig. Ich versuche, das Gespräch auf eine etwas menschlichere Ebene zu hieven.
    »Echt? Im ›Horst‹hat mal eine Band gespielt, die so hieß. Teaser Boar.«
    Ablenkungsmanöver geglückt: »Und, haben die was getaugt?«, fragt Andi ehrlich interessiert.
    Warum kann ich nicht lügen?
    »Ging so. Für eine Vorband okay.«
    Andi zeigt mit der Gabel auf mich, als hätte diese Auskunft seine These bestätigt. Das ist ja unerträglich mit dem Mann. Wie konnte Katja das so lange aushalten?
    Und wie konnte sie es aushalten, nicht mit mir darüber zu reden. Seit wann weiß sie, dass sie schwanger ist? Was sagte Gunnar, vor drei Monaten bei einem Konzert in Chemnitz?
    »Andi, bist du sicher, dass du nicht der Vater bist?« Bescheuerte Frage, Doris. Der Mann ist Banker und wird schon rechnen können. Oder hat zumindest mal nachgerechnet, spätestens gestern. Aber Andi antwortet trotzdem ausdrucksvoll: Mit einem gezielten Gabelschlag haut er seine Tortenkrümel zur Brei.
    »Nä. Da lief seit Monaten nix mehr. Seit fast einem Jahr, um genau zu sein.«
    Wo ist der Kochtopf, den man sich auf die Rübe setzen kann, wenn man ihn braucht? Dann kann man mit einer Kelle dagegen hauen und muss sich diese pikanten Details aus dem Sexleben anderer nicht anhören. Beziehungsweise aus dem Nicht-Liebesleben.
    »Tschuldigung, Doki, das musste ich nur mal irgendjemandem erzählen.«
    Warum denn ausgerechnet mir? Sollte mich das trösten? Will er mit mir einen Club gründen, für Zweifachverarschte, eine Selbsthilfegruppe für Aussteiger der Katja-Alpert-Sekte? Hätte er das mal früher getan. »Andi, auch wenn du und Katja nicht mehr, also … seit wann weißt du, dass sie schwanger ist?«
    Er verzieht das Gesicht, das Wort »schwanger« behagt ihm immer noch nicht, genauso wenig wie mir. »Doki, ich hab’s auch erst letzte Woche daran gemerkt, dass sie nicht mehr raucht. Und als ich sie drauf angesprochen hab, meinte sie: ›Okay, lass uns heiraten, dafür fragst du nie, wer der Vater ist‹. Und ich hätt’s getan. Hätte den kleinen Scheißer großgezogen wie mein eigenes Kind. Bis vorgestern Nacht hätte ich das wirklich getan.«
    Wir schweigen. Wahrscheinlich denkt auch Andi darüber nach, wer in dieser Schmonzette eigentlich der kränkste Kopf ist. Bis vor ein paar Sekunden war er klar mein Favorit, aber Katja hat mordsmäßig aufgeholt.
    Denn ich bin mir sicher, sie hätte das genau so durchgezogen. Hätte ihr Kind optimal durch Batzen abgesichert, damit es ihm an nichts mangelt. Fast nachvollziehbar, wenn man weiß, dass der Erzeuger des Kindes nichts Besseres zu tun hat, als in der Wohnung meiner Nachbarin abzuwarten, was so passiert, bis ich vorbeikomme und ihm Beine mache. Einerseits bin ich schon stolz darauf, eine Familie zusammengeführt zu haben, andererseits kann ich jetzt schon verstehen,
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