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Bestimmung

Bestimmung

Titel: Bestimmung
Autoren: Mycha Chick
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überlegte mir, wie Er wohl als kleiner Junge ausgesehen haben mochte und ob Er schon immer so überheblich tat oder was geschehen war, dass Er sich so verhielt. Aber es war kein Getue, nichts Aufgesetztes. Er war einfach so, strahlte mit jeder Geste diese Stärke aus und brachte jeden hier und wahrscheinlich auch überall sonst, dazu, Ihm zuzuhören und zuzustimmen.
    Auch auf meinen Vater und vor allem auf meine Brüder hatte Er diese Wirkung, wie ich belustigt feststellte. Denn wenn sie sich sonst wie kleine Jungs verhielten, an diesem Nachmittag rissen sie sich zusammen und brachten kaum ein Wort heraus, so eingeschüchtert waren sie von Richard McKinley. Ich konnte es kaum glauben; sonst die große Klappe und dann kam Er hier vorbei, den sie kaum kannten und schon kuschten sie! Das beeindruckte mich wahnsinnig!
     
    Meine Gedanken und Träumereien wurden jäh unterbrochen.
    „Lass doch dein Mädchen für dich gehen, dazu ist sie schließlich da! Oder fütterst du sie nur einfach so durch?“
    Seine Worte, an meinen Vater gerichtet, brannten sich tief in mir ein und ich wurde feuerrot im Gesicht. Ich starrte Ihn an.
    „Brauchst mich gar nicht so entsetzt anzustarren. Weil du noch ein kleines Mädchen bist, verzeih ich dir mal, dass du mich so unverschämt anstarrst, aber was sich für eine Frau gehört, solltest du doch eigentlich schon gelernt haben, oder? Also geh und hol mir einen Aschenbecher! Jetzt!“
    Ich wurde noch röter, wenn das überhaupt ging und lief aus dem Zimmer. Warum ließen wir uns das gefallen? Warum ließ sich mein Vater das gefallen? Was war hier los! Ich wollte eigentlich wütend sein wegen so einer Art mit mir umzugehen, musste aber zugeben, dass es mir irgendwie gefiel. Auch ich kuschte vor Ihm und noch mehr, es imponierte mir. Ich kannte Männer nicht, die sich so durchsetzen konnten. Vater ging immer liebevoll mit Mutter um; sie war aber auch so lieb, dass sie nie eine derart strenge Hand brauchte.
    Aber mir imponierte Seine Härte und irgendwo in meinem Inneren spürte ich eine Hitzewelle durch meinen Körper strömen. Ich beeilte mich, einen Aschenbecher zu finden, ich wollte mir nicht noch einmal eine Blöße vor Ihm geben. Ich hörte die Männer im Wohnzimmer lachen, meine Mutter hatte sich längst verabschiedet und war in der Küche verschwunden. Mit zittrigen Fingern hielt ich den Aschenbecher und trat neben Ihn, um ihn vor Ihm auf den Tisch zu stellen. Artig blieb ich mit gesenkten Augen stehen und wartete auf Seine Anweisungen.
    „Danke mein Engel, das hast du aber gut gemacht!“, hörte ich Ihn spöttisch sagen, woraufhin alle am Tisch lachten. „du darfst jetzt spielen gehen!“
    Oh wie ich Ihn in diesem Moment hasste! Erst diese Zurechtweisung und jetzt demütigte Er mich indem Er mich behandelte wie ein kleines Kind! Ich nickte brav und lief hinaus.
    Auf meinem Zimmer fing ich an zu weinen. Dass meine Brüder mich nicht ernst nahmen, mich nur als lästiges Anhängsel ansahen, das man herum schubsen konnte wie man Lust hatte, daran hatte ich mich gewöhnt. Aber dass das jetzt auch noch ein Fremder tat, das schmerzte. Und zwischen all den Tränen wurde mir klar, dass sich das aber auch nie ändern würde. Als Frau wurde man immer gedemütigt und herum kommandiert. Auf einmal verstand ich meine Mutter mit ihrer zurückgezogenen, in sich gekehrten Art immer besser. Lieber unterwürfig sein und kuschen, damit kam man als Frau einfacher durchs Leben. Wenn man sich ständig dagegen auflehnte, tat es nur weh. Eine Frau hatte nun mal keine Rechte und je früher ich das lernte und begriff, desto leichter würde es mir fallen, im Leben zurecht zu kommen. Auch wenn ich Ihn wegen dieser Demütigung hasste, hatte Er mir doch meinen Weg klar aufgezeigt. Ich würde irgendwann heiraten und Kinder bekommen, mich um den Haushalt und meine täglichen Arbeiten kümmern und dafür sorgen, dass mein Mann zufrieden war. Dass war der einzige Weg, mir Achtung und ein bisschen Anerkennung in dieser von Männern dominierten Welt zu verschaffen. Ich würde mir nie wieder so einen groben Fehler wie heute bei Ihm erlauben. Ab heute würde ich lernen, eine gute Frau zu sein.
    Und während ich so auf meinem Bett lag, wurde mir klar, dass ich das alles nicht für irgend einen Mann tun würde. Es musste ein Mann wie Richard McKinley sein, ein Mann der stark, selbstsicher und auch herrisch wäre, der mir im Gegenzug Sicherheit und Geborgenheit geben konnte. Ich brauchte einen starken Mann, weil ich nicht
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