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Bestimmung

Bestimmung

Titel: Bestimmung
Autoren: Mycha Chick
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Anweisungen, was er wann zu Essen haben wollte und wie ich seine Wäsche zu waschen hatte, ließ er mich in Ruhe. Meine beiden anderen Brüder hatten die angespannte Stimmung zwischen uns wohl mitbekommen, aber keiner fragte und so erzählte ich auch nichts. Mir war das Ganze viel zu peinlich und ich wollte nicht erneut Simons Ärger auf mich ziehen.
     
    Also ging mein langweiliges, tristes Leben weiter seinen Gang und obwohl jetzt wohl alle mitbekommen hatten, dass ich eine Frau geworden war, passierte erst mal eine ganze Weile nichts weiter.
    Um so mehr war ich erstaunt, als an meinem 16. Geburtstag dann doch alle an mich dachten. Eduard, mein kleiner Bruder, schenkte mir einen Seidenschal, Daniel umarmte mich ganz lieb und wünschte mir alles Gute. Simon schwieg, was das beste Geschenk war, das er mir machen konnte und Vater drückte mich herzlich und gab mir einen Brief. Ich riss ihn auf und sah, dass er von meiner Tante Rosmarie kam. Ich hatte sie das letzte Mal auf der Beerdigung meiner Mutter gesehen und obwohl sie vorher häufiger Gast bei uns gewesen war, hatte sie seit dem Tod ihrer Schwester nichts mehr von sich hören lassen. Bis heute.
    Ich hatte sie immer sehr gerne gehabt. Sie war eine liebevolle, gütige Frau, die mich sehr an meine Mutter erinnerte. Jetzt las ich ihren Brief:
     
    Liebe Alexandra!
    Erst einmal alles, alles Liebe zu deinem 16. Geburtstag!
    Dein Vater hat mir geschrieben und mir erzählt, dass du jetzt langsam eine richtige Frau wirst. Außerdem ist ihm aufgefallen, dass du seit dem Tod deiner Mutter und meiner Schwester sehr traurig bist und dich immer mehr zurückziehst.
    Ich kann nicht zulassen, dass du mir in diesem Männerhaushalt versauerst! Das bin ich deiner Mutter einfach schuldig. In deinem Alter muss man auch mal etwas anderes sehen und es gibt so vieles, was nur Frauen unter sich verstehen. Ich kann mir also gut vorstellen, wie einsam du bist. Daher möchte ich dich gerne für ein Jahr zu uns nach Hause einladen!
    Ich habe mit deinem Vater darüber gesprochen, es ist alles geregelt, damit du nach Weihnachten zu uns kommen kannst. Keine Ausreden, es wird dir hier gut gehen und meine Tochter Anna freut sich auch schon sehr auf dich!
    Also bis dahin,
    Deine Tante Rosmarie!
     
    Ich war fassungslos.
    Ich wusste nicht viel über Rosmaries Familie, aber ich hatte ihren Mann Robert schon ein paar Mal gesehen und ihre Tochter Anna kannte ich auch ein bisschen. Aber das war mir egal! Ich kam hier raus, ein ganzes Jahr an der Ostsee, einfach mal etwas anderes sehen und erleben... und das alles hatte Vater für mich arrangiert? Ich fiel ihm um den Hals und bedankte mich tausendfach.
    „Aber was wird aus dir, Vater, wenn ich nicht da bin? Wer kümmert sich dann um dich und meine Brüder?“
    „Lass das mal nur meine Sorge sein, ich habe eine Haushälterin eingestellt, die uns versorgt, alles ist gut! Fahr du an die Ostsee und lebe noch ein bisschen deine Freiheit, die Ehe wird früh genug auf dich zukommen.“
     
    Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht einmal, dass diese Reise nicht von meinem Vater arrangiert worden war, sondern das Er Seine Finger mit im Spiel hatte und das Er es gewesen war, der meinen Vater zu dieser Vorkehrung überredet hatte.
    Ich war schon damals Sein Spielzeug, Seine Marionette, die Er nach belieben tanzen ließ. Seit Richard McKinley mich das erste Mal gesehen hatte, gehörte ich Ihm und Er bestimmte über mein ganzes Leben. Aber davon sollte ich erst sehr viel später erfahren.
     
    Aus Angst, Vater könnte sich doch noch um entscheiden, bedankte ich mich nur noch einmal herzlich, dann sprach ich nicht mehr davon. Aber in Gedanken malte ich mir aus, wie schön es werden würde, mit meiner Tante, meiner Cousine Anna und Robert in einer normalen Familie heranzuwachsen und einmal dem ganzen Elend und vor allem auch meinen Brüdern entgehen zu können. Wieder ein bisschen Spaß haben zu können, ein bisschen Freiheit erleben zu dürfen.
    Und mit dieser Vorfreude vergingen die Tage bis Weihnachten wie im Flug.
     

Kapitel 6
     
     
    Rosmarie und Robert kamen zwei Tage vor Weihnachten um mit uns gemeinsam zu feiern, bevor ich dann nach Silvester mit zu ihnen kam. Ihre Tochter Anna blieb über die Feiertage zu Hause, sie hatte sich wohl frisch verliebt und zog die Gesellschaft ihrer neuen Flamme den langweiligen Festlichkeiten um Weihnachten vor. Das verriet mir Rosmarie heimlich, die offizielle Version für ihren Mann war, dass Anna noch so viel für ihre
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