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Waldmeister mit Sahne

Waldmeister mit Sahne

Titel: Waldmeister mit Sahne
Autoren: Sandra Busch
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Frühling
    Bei Erektion denke ich immer an Ikea-Regale:
    Hoffentlich hält’s fünf Minuten.
    (Harald Schmidt)
     
     
     
    Langsam fuhr Joachim auf den großen Parkplatz. Um niemanden zu verärgern hatte er die Scheinwerfer auf Standlicht geschaltet. Sein Gesicht klebte fast an der Windschutzscheibe, als er die Dunkelheit mit den Blicken zu durchdringen suchte und so gelang es ihm seinen dunkelblauen Golf in einem der hinteren Winkel des Parkplatzes zu bugsieren, ohne jemanden zu überfahren. Erleichtert atmete er auf, stellte den Motor ab und schaltete die Scheinwerfer ganz aus. Und nun? Er hatte sich vorher keinen Plan zurechtgelegt, sondern lediglich spontan seinem Verlangen nachgegeben. War einfach losgefahren, ehe ihn der Mut wieder verließ.
    Ein wenig scheu blickte er sich um. Drei ebenfalls parkende Wagen wirkten verlassen. Dagegen brannte in zwei weiteren die Innenbeleuchtung. Sie erschienen Joachim wie leuchtende Inseln inmitten eines dunklen Meeres von einander suchender Leidenschaft. Zwischen den Wagen huschten schattenhafte Gestalten beinahe verstohlen durch das Mondlicht. Joachim war zum ersten Mal um diese Uhrzeit an diesem Ort. Zu dieser späten Stunde wirkte der Kennelparkplatz, der seinen Namen vom angrenzenden Schwimmbad hatte, seltsam anders. Fast wie fremdes Terrain. Er hatte gar nicht gewusst, dass es so nah an der Innenstadt einen Treffpunkt gab und war erst durch Zufall im Internet darauf gestoßen. Es war schon erstaunlich, was das Internet alles preisgab.
    Sollte er jetzt aussteigen oder ebenfalls die Innenbeleuchtung einschalten? Und wie lange dauerte es eigentlich, bis die Innenbeleuchtung eine Autobatterie erschöpfte? Nichts wäre peinlicher, als einen Abschleppwagen ausgerechnet hierher zu ordern. Also blieb die Innenbeleuchtung aus. Und nun? Doch aussteigen? Unsicher schaute Joachim aus dem Seitenfenster und zuckte erschrocken zusammen. Er starrte mitten in ein fremdes Gesicht, das sich zu einem sympathischen Lächeln verzog. Eine Hand tauchte auf und klopfte mit den Fingerknöcheln gegen die Scheibe. Langsam, mit vor Aufregung schweißnassen Händen, kurbelte Joachim das Fenster hinunter.
    „Willst du?“, fragte der Fremde. Seine Stimme war dunkel und ein wenig rau. Sein Haar war vielleicht eine Spur zu lang, um modisch zu sein und ein Dreitagebart zierte ein sehr ebenmäßiges Gesicht, das von einer Römernase dominiert wurde. Die Augen schienen hell zu sein. Genau konnte es Joachim in der Dunkelheit nicht erkennen. Vielleicht hellblau, vielleicht grau. Und diese Augen sahen ihn direkt und geradeheraus an. Das gefiel ihm. Er nickte schnell, bevor er die Flucht ergreifen konnte und sich später zu Hause über seine Feigheit ärgerte.
    Der Fremde trat einen Schritt zurück, damit Joachim aussteigen konnte. In seiner Aufregung blieb er mit dem Fuß am Türschweller hängen und prallte stolpernd gegen den Fremden, der ihn rasch am Arm festhielt.
    „Hoppla!“ Joachim blickte verlegen auf den tölpelhaften Fuß hinunter. Wie konnte man nur so ungeschickt sein?
    „Ist ja nichts passiert“, sagte der andere im beruhigenden Ton und fragte dann: „Top oder Bottom?“
    Dieses Direkte war genau in Joachims Sinn. Nun kam allerdings der entscheidende Punkt: Wenn er nicht zu diesem Typen passte, würde der sich umdrehen, jemand anderen suchen und er hatte seine Chance vertan. Ob er den Mut aufbrachte, auf eine weitere Gelegenheit zu warten, bezweifelte Joachim.
    „Bottom“, antwortete er. Vielleicht ein bisschen zu leise? Der andere sagte jedenfalls nichts, musterte Joachim einfach nur ruhig.
    „Und du?“, fragte Joachim daher zurück.
    „Ich switche“, erklärte der zu seiner größten Erleichterung. „Aber es gibt bei mir eine goldene Regel.“
    Zu früh gefreut? Joachim blickte sich nervös um und schaute wieder den Fremden an.
    „Okay. Und welche?“
    „Bei mir gibt es kein Bareback.“
    „Eine Regel ganz nach meinem Geschmack.“ Joachim war erleichtert. Wie selbstverständlich fasste der andere nach seiner Hand und zog ihn mit sich auf eine Gestrüppreihe zu.
    Der Kennelparkplatz eignete sich gut zum Cruisen, wie Joachim nun feststellte: weitläufig genug, um ein wenig Abgeschiedenheit zu finden, ausreichend Gesträuch, das ein bisschen Alleinsein vermittelte, und keine abendlichen Spaziergänger.
    „Ich heiße Michael. Micha, wenn du magst.“
    „Jo“, sagte Joachim. Den Namen benutzte er immer, wenn er auf der Suche nach Sex war. Ansonsten sagten alle Achim zu ihm.
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