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Waldmeister mit Sahne

Waldmeister mit Sahne

Titel: Waldmeister mit Sahne
Autoren: Sandra Busch
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dunkelblauer Golf auf den Kennelweg ein. Mit Standlicht näherte sich der Wagen langsam und fuhr in die entlegenste Ecke des Parkplatzes. Er hielt genau dort, wo er bereits vor drei Wochen geparkt hatte. Angespannt blieb Michael, wo er gerade war und beobachtete nur. Wenn Jo drei Wochen lang auf sich warten und ihn damit zappeln ließ, sollte er jetzt ruhig mal zeigen, ob er wegen ihm zurückgekommen war oder nicht.
    Eine ganze Weile geschah gar nichts. Jo blieb in seinem Golf sitzen. Es dauerte bestimmt zwanzig Minuten, ehe die Tür aufschwang und er ausstieg. Suchend schaute er sich um und lehnte sich danach gegen die Wagentür. Seine Schultern hingen herab und er wirkte einsam und verloren. Beinahe tat er Michael leid. Ein ziemlich großer Bursche näherte sich Jo, sprach ihn an und berührte seinen Arm. Michaels Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. War das Gefühl in seinem Bauch etwa ein Anzeichen von Eifersucht? Wegen einem Typen, den er einmal gebumst und mit dem er kaum mehr als zehn kurze Sätze gewechselt hatte? Michael war von sich selbst überrascht. Und ein wenig erleichtert, denn Jo schüttelte dort an seinem Wagen den Kopf. Der andere zuckte mit den Achseln und ging, überließ seinen Platz einem weiteren. Heute waren deutlich mehr Suchende unterwegs, als vor ein paar Wochen. Den Zweiten traf das Schicksal des Ersten: Er wurde ebenfalls von Jo abgelehnt. Das Objekt von Michaels Begierde wirkte inzwischen etwas betrübt, was Michaels Selbstbewusstsein durchaus nicht schadete. Er schob eine störende Haarsträhne aus seiner Stirn und schlenderte lässig auf den ihm zugewandten Rücken zu. Jos nicht zu schmale Schultern waren heute in ein hellblau kariertes Hemd gehüllt.
    „Hi!“, sagte Michael hinter ihm. Sofort fuhr Jo herum. Seine erschrockene Miene wich einem Lächeln.
    „Hi.“
    Eine Weile musterten sie sich nur. Heute war es noch nicht ganz so düster, sodass Michael etwas mehr von Jo zu sehen bekam. Und was ihm da gegenüberstand, gefiel ihm ausgesprochen gut. Jos Augen waren schokoladenbraun und hatten somit beinahe den gleichen Farbton wie seine kurz geschnittenen Haare.
    „Du bist jünger, als ich dachte“, sagte Jo auf einmal.
    „Ach?“ Etwas Besseres fiel Michael nicht ein. Und mit achtundzwanzig fühlte man sich auch nicht mehr wie mit siebzehn.
    „Und?“, fragte Jo.
    „Hm?“
    „Wie alt bist du nun?“
    Michael sagte es ihm und fügte hinzu: „Ist das wichtig für dich?“
    Jo schüttelte den Kopf. „Möglicherweise stört es dich, wenn ich elf Jahre älter bin.“
    So, Anfang vierzig war er also. Nein, es störte Michael nicht, zumal Jo deutlich jünger wirkte.
    „Willst du?“, fragte er genau wie vor drei Wochen.
    „Klar. Deswegen bin ich ja hier.“ Jo lächelte ihn an. Mit diesem Lächeln schaute er wie ein Lausbub aus, den man mit der Hand in der Plätzchendose erwischt hatte.
    „Aber nicht wieder am Zaun“, sagte Michael entschieden. Jetzt zeichnete sich leichte Unsicherheit auf Jos Gesicht ab.
    „Wo denn sonst?“
    „Lass uns zum Südsee gehen. Dort können wir es uns ein bisschen bequemer machen und außerdem sind wir dort ungestörter.“
    Der Vorschlag schien Anklang zu finden, denn Jo nickte. Wie beim letzten Mal nahm Michael einfach seine Hand. Zu seiner Erleichterung entzog Jo sie ihm nicht, sondern erwiderte den leichten Druck seiner Finger. Im Gleichschritt gingen sie wie ein langjähriges Pärchen neben der Oker her zum See. Es wurde immer dunkler. Die Nacht war still, nur ein paar Grillen zirpten. In der Ferne ging noch jemand mit seinem Hund Gassi und ein einsamer Radfahrer kam schlangenlinienfahrend an ihnen vorbei und hinterließ eine deutliche Wolke aus Alkoholdunst. Michael bog vom Weg ab und lief mit Jo über den weichen Rasen auf eine Insel aus Gesträuch zu, hinter der sie sich zu Boden fallen ließen. Jo legte sich auf den Rücken und schaute in den Himmel hinauf, wo sich die ersten Sterne zeigten.
    „Wieso bist du nicht eher gekommen?“, fragte Michael und stützte sich auf einen Ellenbogen.
    „Ich war mich nicht sicher, ob du mich wirklich wiedersehen wolltest, oder ob das von dir nur eine Floskel war. Außerdem habe ich es zeitlich nicht geschafft“, antwortete Jo ehrlich.
    „Und ich dachte schon, dein erstes Mal hätte dir nicht gefallen.“
    Heute widersprach ihm Jo nicht. Also hatte Michael mit seiner Vermutung einen Volltreffer gelandet.
    „Habe ich dir wehgetan?“, fragte er nun, weil Jo weiterhin schwieg. Langsam
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