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Der Paladin

Der Paladin

Titel: Der Paladin
Autoren: C.J. Cherryh
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Einleitung
    Es seien verwunschene Berge, meinten die Einwohner von Mon, die den jungen Reisenden warnen wollten. Sie warnten vor rachsüchtigen Geistern, die einen jungen Mann in die Irre führen würden, vor Dämonen, welche die Gestalt von Füchsen und Eulen annähmen, und vor Drachen, die sich in Menschen verwandeln konnten. Das ihrer Meinung nach schwerstwiegende Argument – das Begehren des Knaben sei aussichtslos: Der Meister nehme keine Schüler an. Die Söhne reicher Männer hatten Saukendar angefleht, seine Schüler werden zu dürfen, und waren von Saukendars Berg herabgestiegen und hatten sich geweigert, mit den Dorfbewohnern zu sprechen oder bei ihnen zu verweilen. Boten der Fürsten hatten Meister Saukendar besucht, um Streitfragen mit ihm zu erörtern, und waren niedergeschlagen und ohne Antwort zurückgekehrt. Mönche waren gekommen, hatten den Schwertmeister nach seinen Geheimnissen gefragt und waren unverrichteter Dinge wieder fortgezogen, denn der Meister wies jede Art von Begehren ab. Zweimal im Jahr stieg ein Junge aus dem Dorf zur Hütte hinauf, brachte dem Meister Salz, Tee und die kleinen Dinge, die er benötigte, und hörte sich an, wieviel Reis und Stroh der Meister brauchte, damit die Dorfbewohner es an der bezeichneten Stelle hinterlegen konnten. Das Dorf spendete diese Dinge, zusammen mit kleinen Geschenken wie Früchten je nach Jahreszeit, ein paar guten Äpfeln oder Birnen oder frischem Gemüse, weil die Angst vor dem Meister Banditen fernhielt. Mehr Umgang mit der Welt pflegte der Meister nicht. Vor allem nahm der Meister keine Schüler an – und gewiß keine Schüler, die so zerlumpt waren wie dieser – so klein und so verhungert und so offensichtlich der Sohn irgendeines leibeigenen Bauern, daß er sich in nichts von irgendeinem Leibeigenen ihres Dorfes unterschied.
    Der Reisende trug einen gegürteten Mantel, der früher einmal blau gewesen war, und eine grobgewebte schwarze und über den abgeschürften Knien ausgefranste Bundhose; eine rote, im Heilen begriffene Narbe führte von der Wange über das Kinn bis zum Hals und verschwand unter dem schmutzigen Kragen. Er benutzte einen schlecht gearbeiteten Langbogen als Spazierstock und hatte einen Köcher mit weißgefiederten Pfeilen umgehängt, eine Waffe, die Bauern zum Schutz gegen Banditen und Straßenräuber von Rechts wegen mit sich führen durften.
    Im Osten herrschte Aufruhr. Mit heiserer, leiser Stimme berichtete ihnen der Reisende, was es im Herzen des Reichs Neues gab; erzählte von verbrannten Bauernhöfen in den Provinzen Hua und Yijang, von abgeschlachtetem Vieh; von ermordeten Familien, darunter auch seiner eigenen.
    Das alles sei jedoch weit weg, versicherten die Dorfbewohner dem Jungen. Hier befinde er sich in Sicherheit. Die Banditen, die jenseits der Berge in der Provinz Hoisan lebten, mieden dieses Tal, das sicher innerhalb der Grenzen von Hoishi liege und vom guten Fürsten Reidi regiert werde; die gütigen Götter und die Angst vor dem Meister hielten den Ärger vom Dorfe Mon fern.
    »In meinem Haus ist auf dem Boden Platz für einen Strohsack«, meinte der Witwer Gori versonnen. Gori hatte ausnahmslos Töchter, sechs an der Zahl. »Ich muß mich um einen Garten kümmern. Einen ehrlichen Jungen, der für seinen Lebensunterhalt arbeitet, könnte ich wohl auf Dauer zu mir nehmen.«
    Der Reisende jedoch – er mochte kaum sechzehn sein –, der barfuß im Schatten beim Brunnen saß und vom angebotenen Wasser trank, dankte dem Witwer mit leiser Stimme und reichte den Becher zurück, dann verknotete er seinen Strohhut unter dem Kinn, steckte die Arme wieder durch die Schlaufen des faßgroßen Korbs aus geflochtenen Binsen, richtete sich mit Hilfe des entspannten Bogens auf und ging davon, praktisch unsichtbar unter dem Hut und dem hochaufragenden Korb, so daß er mit seiner unförmigen Last wie eine Ameise wirkte. Nur die Beine schauten unten heraus, die ausgefranste Bundhose und die dreckverkrusteten mageren Waden.
    Die Dorfbewohner schüttelten die Köpfe, besonders aber Gori.
    »Der kommt wieder«, meinte Goris Nachbar.
     
    Die Straße, die unten im Tal breit, freundlich und sonnenbeschienen gewesen war, verengte sich zu einem Weg und schließlich zu einem schmalen Trampelpfad, der zwischen runden Findlingen und den Baumwurzeln des Waldes entlangführte und sich immer steiler ins Gebirge hinaufwand.
    Wegen der Steigung und zum Schutz vor überhängenden Ästen rückte sich der zerlumpte junge Reisende die Trage
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