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Der verkaufte Patient

Titel: Der verkaufte Patient
Autoren: Renate Hartwig
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Einleitung
     
    W ie viel Geld geben Sie für Gesundheit aus, Sie persönlich? Zählen Sie einmal zusammen, angefangen vom Krankenkassenbeitrag über Zuzahlungen in der Apotheke bis hin zu Vitamintabletten und der Rückenschule im Fitnessstudio. Sie werden schnell merken, was auch allgemeine Zahlen belegen: Das Gesundheitswesen beansprucht einen ordentlichen Brocken in Ihrem Budget. Gesamtwirtschaftlich betrachtet ist es ein beeindruckender Wirtschaftszweig, dessen Prognosen in einer alternden Gesellschaft prachtvoll sind. Für das Gesundheitswesen werden in den kommenden Jahren ordentliche Wachstumsraten erwartet – bis zu 3 Prozent pro Jahr. Im Jahr 2030 werden etwa 4,7 Millionen Menschen im Gesundheitsbereich tätig sein. In zwanzig Jahren, so wollen es die Hochrechnungen derer, die »Gesundheit« schon privatisiert sehen, werden wir pro Jahr nicht 240 Milliarden Euro in diesem Bereich ausgeben, sondern ca. 500 Milliarden Euro. Eine bemerkenswerte Zahl, die nachdenklich macht. Denn sie besagt:
Gesundheit wird dann doppelt so teuer sein wie heute
. Man könnte auch sagen: Nachdem wir unsere Ausgaben für Krankenkasse, Rezeptzuzahlungen, Vitamintabletten und Rückengymnastik zusammengezählt haben, bleibt nicht mehr viel für den Rest des Lebens.
    Das Gesundheitswesen war lange Zeit eine Domäne des Staates. Inzwischen bindet der Staat aber immer mehr privatwirtschaftliche Unternehmen in diese Aufgabe ein. Von
Privatisierung
ist die Rede. Privatisierung ist das Herzstück immer neuer Gesundheitsreformen. Privatisierung soll Wettbewerb entfachen und die Kosten dämpfen, die Qualität steigern und die Versorgung der Patienten verbessern. Ich bekenne: Das Wort »Reform«, wenn es aus einem Politikermundkommt, kann ich nicht mehr hören. Jeder halbwegs wache Bürger weiß doch: Wenn ein Politiker »Reform« sagt, geschehen innerhalb kürzester Zeit zwei Dinge: 1. Es funktioniert gar nichts mehr. 2. Die Kosten laufen uns erst recht davon. Bahn, Post, Energie, Rente – wo gibt es ein einziges Beispiel für Spar- und Effizienzeffekte durch Privatisierung? Deshalb lautet meine ganz persönlich Formel für »Reform«: Alles wird doppelt so teuer, aber halb so effizient.
    Meine These:
Gesundheitsreform
ist nur der Deckname für einen undemokratischen und unsozialen Umbau in unserer Gesellschaft, der alle Bürger mit höheren Kosten bestraft und ihnen geringere Leistungen beschert. Aber ist es nicht wahr, dass unser Gesundheitssystem nicht mehr finanzierbar ist? Wir alle wissen doch: Die Kosten laufen uns davon. Es gibt nachhaltige demographische Veränderungen. Wir haben einen Zuwachs an Zivilisationskrankheiten. Sinkende Wachstumsraten in der Wirtschaft und eine dauerhaft hohe Arbeitslosigkeit führen zu weniger Beitragszahlern. Wir müssen die Folgekosten der deutschen Einheit tragen. Und schließlich fordert der Fortschritt in der modernen Medizin seinen Tribut.
    Ich halte dagegen (und werde darin von vielen Fachleuten unterstützt): Es ist mehr als genug Geld da für eine ordentliche gesundheitliche Grundversorgung. Es wird nur für die falschen Dinge ausgegeben. Nehmen wir ein kleines Beispiel: Im Speckgürtel der Stadt München gibt es mehr Computertomographen (CT) als in ganz Italien (!). Italien hatte am 31. 12. 2006 genau 59 131 287 Einwohner. München hatte am 31. 3. 2007, also drei Monate später, genau 1 332 650 Einwohner. Wahrscheinlich ist es das Olivenöl, oder die Münchner leiden an einer besonderen Form von Knochenerweichung, so dass sie derart viele Computertomographen brauchen. Ein einziges dieser Geräte kostet rund 2,5 Millionen Euro – und die müssen sich amortisieren. Also wird am Fließband und rund um die Uhr untersucht. Leerlauf darf es nicht geben. Notfalls wird das halbe Altersheim aus der Nachbarschaft durchleuchtet!
    Fazit: Es ist offenkundig jede Menge Geld vorhanden für Geräte, die einen Rattenschwanz an Folgekosten hinter sich herziehen. Bezahlt wird das alles von Ihren Beiträgen!
     
    *
     
    Doch sehen wir uns zunächst die Ausgangslage an: Das deutsche Gesundheitssystem wird fast ausschließlich über Versichertenbeiträge finanziert. Gut 90 % der Bevölkerung sind über eine gesetzliche Krankenversicherung (GKV) versichert, bis zu einer gewissen Einkommenshöhe sogar pflichtversichert. 9 % der Bevölkerung sind privat krankenversichert. Nur etwa 0,1–0,3 % der Bevölkerung sind ganz ohne Krankenversicherungsschutz. Immer mehr Gesundheitsleistungen werden in Deutschland allerdings
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