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Waldmeister mit Sahne

Waldmeister mit Sahne

Titel: Waldmeister mit Sahne
Autoren: Sandra Busch
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Beifahrertür.
    „Steig ein.“ Jo begrüßte ihn mit einem warmen Lächeln. Eine Winzigkeit lang zögerte Michael. Und ehe er sich versah, schlug er schon wieder Prinzipien in den Wind – das passierte ihm bei Jo anscheinend dauernd – und stieg tatsächlich zu einem Fremden in den Wagen. Nun gut, ganz fremd war ihm Jo nicht mehr.
    „Hallo“, sagte er etwas verspätet.
    „Tut mir leid, dass du warten musstest. Mir ist beinahe etwas dazwischen gekommen und ich musste erst ein wenig mit den Terminen jonglieren“, erklärte Jo. Und fügte etwas atemlos hinzu: „Hallo erst einmal.“
    Der Himmel öffnete alle Schleusen und der Regen prasselte nur so herunter. Der Typ in der Jogginghose hatte sich vor dem Ertrinken unter die Eisenbahnbrücke gerettet. Dort war er nicht der Einzige, der Zuflucht vor dem Regen suchte. Nur Jo und Michael saßen mitten auf dem Parkplatz im Auto und beobachteten die Regentropfen, die über die Frontscheibe des Golfs liefen.
    „Was unternehmen wir denn jetzt?“, fragte Jo. Er klang ein bisschen enttäuscht. Natürlich hatte Michael Lust auf einen Fick, bloß nicht gerade im Auto. Und nur zum Poppen nahm er sich keine Fremden mit nach Hause. Das war ein weiteres seiner Prinzipien und das würde er garantiert nicht umstoßen. Obwohl ihm Jo sehr sympathisch war, wusste er einfach nicht genug über ihn. Michael hatte keine Ahnung, wie Jo mit Nachnamen hieß, wo er wohnte oder was er tagsüber eigentlich trieb. Also schnell mal überlegen. Was konnten sie an einem so verregneten Abend unternehmen?
    „Lust auf ein Bier? Wir könnten ins Whatever fahren.“
    Jo zögerte mit einer Antwort.
    Uuups, Micha du blöder Esel! Jo ist zum Vögeln hier, nicht um Small Talk bei einem Bier zu treiben .
    Für einen Moment war er davon ausgegangen, dass Jo ebenfalls Interesse an mehr als nur Sex haben könnte.
    „Okay, vergiss es. Wir sollten nur aufpassen, dass es nicht der Ganghebel ist, den wir in den Arsch bekommen.“ Michael machte bereits Anstalten, sich aus seiner Jacke zu winden, als Jo fragte: „Wo ist denn das Whatever ?“
    Diese Frage fand Michael nun doch etwas komisch. In dieser schwulenfeindlichen Stadt gab es genau drei Lokale für Homosexuelle. Eines war eine Disco, die sogar über einen Darkroom verfügte, der wegen Überfüllung geschlossen wurde, sobald sich darin eine Person aufhielt. Das andere war das Stängel , ein Café für die eher ältere Gemeinde und eben das Whatever , eine gemütliche, rustikale Kneipe. Über die Schwulensauna am Hafen brauchte man gar nicht erst reden. Die wurde ständig vom Ordnungsamt geschlossen und so oft neu eröffnet, dass es bereits an Besessenheit grenzte.
    „Du kennst das Whatever nicht?“, fragte Michael daher ziemlich entgeistert.
    „Ist das schlimm?“ Mit einem Mal klang Jos Stimme deutlich schärfer. Michael zog innerlich die Bremse.
    „Hohetorwall“, sagte er knapp.
    „Eine Schwulenkneipe“, stellte Jo fest.
    „Ja, natürlich. Wo gehst du denn auf ein Bier hin?“
    Jo startete den Wagen und lenkte ihn von dem Parkplatz runter. „Ich gehe nicht oft aus. Und mein Bier bekomme ich schließlich überall. Es gibt ja genug Kneipen.“
    „Klar, bloß da triffst du keine Gleichgesinnten.“ Michael hatte vergessen sich anzuschnallen und holte das schnell nach.
    „Die kann ich am Bienroder See sehen, wenn ich mag.“ Angestrengt blickte Jo nach vorn. Im Moment schüttete es wie aus Eimern. Die Scheibenwischer kamen kaum nach.
    „Du magst wohl nicht oft?“, fragte Michael wie beiläufig.
    „Wieso?“ Jo warf ihm einen raschen Blick zu. Gleich darauf schaute er wieder auf die Straße, da weitere Fahrzeuge im Blindflug unterwegs waren.
    „Na ja, wenn du mit vierzig noch nicht gevögelt hast …“
    Sofort korrigierte ihn Jo: „Neununddreißig.“
    Michael grinste und wartete auf eine Antwort, es kam jedoch keine mehr. War das Jo etwa peinlich? Eigentlich hatte er gehofft, dass Jo ihm erzählen würde, weshalb er ein solcher Spätzünder war. Natürlich hatte er sich in den letzten Wochen darüber Gedanken gemacht, ob sein Begleiter erst verspätet zum Schwulsein gefunden hatte oder vielleicht auf beiden Ufern zu Hause war. Aber offenbar wollte Jo darüber nicht sprechen. Verstohlen sah er ihn von der Seite aus an. Jo wich einem Radfahrer aus, der in diesen Fluten ohne Licht unterwegs war, schimpfte leise über den lebensmüden Idioten und wurde langsamer.
    „Siehst du irgendwo einen Parkplatz?“ Parkplätze waren am Hohetorwall
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