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Blutiger Spessart

Blutiger Spessart

Titel: Blutiger Spessart
Autoren: Guenter Huth
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Prolog
    Das Repetiergewehr im Kaliber .308 Winchester war mit einem Nachtsichtzielgerät und einem Schalldämpfer bestückt. Der Mann, der es mit einem Gewehrriemen über den Rücken geschnallt hatte, war seinerseits mit einer leistungsfähigen, militärischen Nachtsichtbrille ausgerüstet. Schwarz gekleidet, verschmolz er in der Nacht völlig mit den Bäumen des Waldes, zwischen denen er sich fast lautlos bewegte.
    Sein Elektroquad vom Typ
Ghostrider
hatte er einige hundert Meter weiter hinten in einem Stichweg abgestellt. Dieses robuste Fahrzeug war für derartige Einsätze optimal – extrem geländetauglich, konnte man sich damit fast lautlos fortbewegen. Die restliche Strecke würde er zu Fuß zurücklegen. Wenig später hatte er den Waldrand erreicht. Regungslos blieb er unter den Bäumen stehen und beobachtete das freie Feld, das sich an den Wald anschloss. Mit Befriedigung nahm er zur Kenntnis, dass sich der Mond hinter einer riesigen Wolkenbank versteckte, die von der schwachen sommerlichen Brise nur träge ostwärts getrieben wurde. Das helle Licht des Vollmondes hätte die Leistungsfähigkeit seiner Nachtsichtausrüstung beeinträchtigen können.
    Es dauerte nur zehn Minuten, dann tauchte sein Ziel links in seinem Gesichtsfeld auf. Er wartete einen Augenblick, bis die Situation günstig war, schob die Nachtsichtbrille nach oben und nahm das Gewehr hoch. Den linken Handrücken zur Stabilisierung gegen einen Baumstamm gedrückt, ruhte der Vorderschaft der Waffe regungslos in seiner Handfläche. Mit der Rechten drückte er den Kolben des Gewehrs gegen die Schulter. Das Fadenkreuz des Nachtsichtzielfernrohrs saugte sich am grünlichen Bild des Zieles fest. Der rechte Zeigefinger bewegte den Abzug mit der erforderlichen Gleichmäßigkeit nach hinten und überwand schließlich den Widerstand des Druckpunktes. Mit einem kaum vernehmlichen »Plopp« löste sich der Schuss. Den leichten Rückschlag der Waffe nahm der Schütze kaum wahr. Sofort repetierte er eine neue Patrone ins Patronenlager. Dieses mechanische Geräusch war lauter als der eigentliche Schuss, aber trotzdem so leise, dass man es in einigen Metern Entfernung schon nicht mehr hören konnte. Mit einem Blick durch das Zielfernrohr überzeugte sich der Schütze davon, dass er optimal getroffen hatte. Das spezielle Projektil, das er verwendete, ließ hinsichtlich der Wirkung keine Wünsche offen.
    Er sicherte seine Waffe und schob die Nachtsichtbrille wieder vor die Augen. Schnell hatte er die ausgeworfene Patronenhülse gefunden und aufgehoben. Dann drehte er sich um und verschwand so lautlos, wie er gekommen war.

1
    Das Treffen der beiden Männer fand auf den östlichen Wehrgängen der Festung Marienberg statt. Das Wetter war ausgesprochen unfreundlich, daher waren so gut wie keine Besucher auf den Mauerkämmen der historischen Wälle hoch über den Dächern von Würzburg unterwegs. Es regnete zwar nicht, aber der Wind blies in Böen über die Höhe und beugte das Gras auf den Befestigungen. Ideale Verhältnisse für eine geheime Zusammenkunft, die auf keinen Fall bekannt werden durfte.
    Der Ältere der beiden Männer, Pietro Vasselari, blickte scheinbar gedankenverloren über das Tal hinüber zum gegenüberliegenden Nikolausberg, wo die Türme des Käppele, einer historischen Klosterkirche, herüber grüßten. Er trug einen dunkelblauen Nadelstreifenanzug, dazu einen breitrandigen Hut, unter dem schwarzes, mit silbrigen Fäden durchzogenes Haar hervorschaute. Sein Gesicht war von zahlreichen Falten zerfurcht. Er hatte den Teint eines Menschen, der viele Jahre lang Sonne, Wind und Wetter ausgesetzt gewesen war. Das machte ihn älter als die 72 Lenze, die er schon auf dem Buckel hatte. In der Hand hielt er einen schlanken, schwarzen Spazierstock mit einem kugeligen Knauf aus Silber, der einen Löwenkopf darstellte. Man sah dem Löwenkopf nicht an, dass er, wenn man an einer bestimmten Stelle drückte, ein zwanzig Zentimeter langes, schmales, beidseitig geschliffenes Stilett freigab. Eine sehr effektive Waffe. Vor allen Dingen deshalb, weil man immer den Überraschungsmoment auf seiner Seite hatte.
    »Was ist nun, Renato, kannst du die Angelegenheit in unserem Sinne regeln?«, fragte er den anderen. Seine Stimme klang ungeduldig.
    Man merkte, dass er es nicht gewohnt war, lange bitten zu müssen. Er drehte sich halb um und warf einen kurzen Blick zurück. Außer Hörweite lehnte sich Carlo, sein Chauffeur und Leibwächter, lässig gegen die
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