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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten
Autoren: Joan D. Vinge
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fragile Häute und dünne Arme herabzogen, bis das Fliegen unmöglich wurde. Wie jeder Edelmann war auch Chwiul normalerweise von Dienern umgeben, die ihm den kleinsten Wunsch erfüllten. Inkompetenz, gespielt oder echt, war eine weitere Falle der Macht, eine Unzulänglichkeit, die sich nur die Reichen leisten konnten. Sie freute sich gehässig darüber, daß die Juwelen nur von minderer Qualität waren.
    „Ich vertraue Euch nicht“, sagte sie. „Aber ich habe Freunde, die mir mitteilten, daß es Euch ernst ist – in diesem Fall. Und selbstverständlich bin ich nicht allein gekommen.“
    „Deine Gesetzlosen?“ Unglaube. „Die bieten keinen Schutz.“
    Sie griff nach dem Lumpenbündel an ihrer Seite und teilte ruhig die Stofflagen, die ihren verborgenen Begleiter enthielten.
    „Es ist wahr.“ Chwiul pfiff leise. „Man nennt dich Dämonenbraut …“
    Sie wendete die Bernsteinlinsen vor dem kostbaren Auge des Dämons, damit dieser den Raum so in sich aufnehmen konnte, wie sie ihn gesehen hatte, dann richtete sie seinen Blick auf Chwiul. Er wich ein wenig zurück und fingerte im Moos herum. „,Ein Dämon hat tausend Augen und tausend mal tausend Qualen für jene, die ihn erzürnen.’“ Sie zitierte aus dem Buch des Ngoss, unter Anwendung dessen Rituale sie den Dämon an sich gefesselt hatte.
    Chwiul streckte sich unbehaglich, als wollte er wegfliegen. Doch er sagte lediglich: „Ich glaube, wir verstehen einander. Und ich glaube, ich habe eine gute Wahl getroffen: Ich weiß, welch gute Dienste du dem Oberlord und den anderen Mitgliedern des Hofes geleistet hast … Ich möchte, daß du jemanden für mich beseitigst.“
    „Offensichtlich.“
    „Ich möchte, daß du Klovhiri tötest.“
    T’uupieh zuckte fast unmerklich zusammen. „Ihr überrascht mich ebenfalls, Lord Chwiul. Euren eigenen Bruder?“ Und den Usurpator meines Landes. Wie sehr habe ich mich danach gesehnt, ihn langsam zu töten, ganz langsam, eigenhändig … aber er wird zu gut bewacht.
    „Und auch deine Schwester – meine Frau.“ Leise, spöttische Untertöne. „Ich möchte, daß seine ganze Familie ausgelöscht wird, seine Frau, seine Kinder …“
    Klovhiri … und Ahtseet. Ahtseet, ihre jüngere Schwester, die ihr von Kindesbeinen an die liebste Gefährtin gewesen war, ihre alleinige Familie nach dem Tod ihrer Eltern. Ahtseet, die sie behütet und beschützt hatte, geliebte, heuchlerische, verräterische kleine Ahtseet – wer konnte Stolz und Anstand und die Ehre der Familie vergessen und willig den Mann heiraten, der ihnen alles geraubt hatte? Alles nur, um das Land der Familie zu behalten, hatte Ahtseet gekreischt, alles, um ihre Position zu behalten. Aber das war nicht die richtige Methode! Nicht durch Nachgeben, sondern durch Zurückschlagen … T’uupieh bemerkte, daß Chwiul ihre Reaktion mit unbehaglichem Interesse mitverfolgte. Sie tastete nach dem Dolch an ihrem Gürtel.
    „Warum?“ Sie lachte, denn eigentlich hatte sie fragen wollen: „Wie?“
    „Das ist doch wohl offensichtlich. Ich habe es satt, immer nur die zweite Geige zu spielen. Ich will das, was er hat – dein Land und alles andere. Ich will ihn vom Hals haben, und ich will nicht, daß jemand übrigbleibt, der größere Ansprüche auf das Land hat als ich.“
    „Warum tut Ihr es nicht selbst? Ihr könntet sie zum Beispiel vergiften … so was wurde schon oft getan.“
    „Nein. Klovhiri hat zu viele Freunde, zu viele loyale Klansmänner, zuviel Einfluß beim Oberlord. Es muß ein ‚Unfall’-Mord sein. Und niemand wäre besser geeignet, ihn für mich auszuführen, als du, meine Lady.“
    T’uupieh nickte vage und abschätzend. Für ein erfolgreiches Gelingen hätte er wirklich keine bessere Wahl treffen können … denn sie brannte vor Verlangen zurückzuschlagen. Bisher hatte ihr lediglich die Gelegenheit gefehlt. Vom Zeitpunkt ihrer Enteignung an, durch die verblassenden Herbsttage und den langen Winter – mittlerweile fast ein Drittel ihrer Lebensspanne –, lebte sie nun schon verborgen in den wilden Sümpfen und Marschländern ihres Besitzes. Sie hatte einige treue Diener um sich geschart, einige Unzufriedene, einige Halsabschneider, um Klovhiris Gefolgsmänner zu ermorden, seine Phibnetze zu zerstören, aus seinen Fallen zu stehlen und ihre eigenen Ziele zu verwirklichen. Und um des bloßen Überlebens willen hatte sie alles geraubt, was Reisende auf den Straßen durch ihr Land auch immer bei sich gehabt hatten.
    Da sie immer noch eine Edle war,
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