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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten
Autoren: Joan D. Vinge
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gewesen ist …“
    „Das hast du dir gemerkt?“ Er hielt sie eng an sich geschmiegt und ließ ihren Kopf an seiner Schulter ruhen, um zu verbergen, daß auch sein eigenes Gesicht feucht geworden war.
    Ein Schmerzenslaut stieg in ihrer Kehle auf, sie klammerte sich fest an ihn. „Oh, Maris … Hilf mir! Bitte, hilf mir, hilf mir …“
    Er wiegte sie sanft und stumm, bis schließlich ihr Schluchzen nachließ. So hatte er vor hundert Jahren einen heimwehkranken Teenager gewiegt.
    „Wie werde ich nur leben können … jahrhundertelang auf einer Welt und immer die Erinnerung vor Augen? Wie kannst du das nur ertragen?“
    „Indem ich erkenne, was wirklich zählt … Welten sind auch nicht gerade klein. Wir könnten zu anderen Welten gehen, wenn du möchtest – wir könnten die Heimat besuchen. Es wird dich überraschen, was man in zweihundert Jahren zusammensparen kann.“ Er küßte ihre geschwollenen Augen, ihre geröteten Wangen, ihre Lippen. „Und vielleicht verändern sich die Vorschriften im Lauf der Zeit.“
    Sie schüttelte ihren vom Verlust gezeichneten Kopf. „Oh, mein Maris, mein weiser Geliebter – liebe mich, binde mich an die Erde.“
    Er nahm ihre künstliche Hand, küßte sanft Handfläche und Finger. Und mach es gut … Und mit dem Wissen, daß es nicht einfach sein würde, löschte er das Licht.

 
     
Nachwort
     
    Der Zinnsoldat war die erste Geschichte, an der ich ernsthaft gearbeitet habe. Bis zum Jahr 1973 hatte ich lediglich hier und da ein kleines Stück, den Teil einer Geschichte, verfaßt, Dinge, die ich ohne wirkliches Interesse an der Sache immer wieder beiseite legte, ohne eine Vorstellung davon zu haben, was ich mit ihnen anstellen sollte. Und an eine Veröffentlichung dachte ich schon gar nicht. Doch mein Mann Vernor (der ebenfalls Science Fiction-Autor ist) ermutigte mich, mich ernsthaft dem Schreiben zu widmen – und das war das Ergebnis.
    Obwohl es meine erste Geschichte war, scheint es doch diejenige zu sein, die meinen Lesern am besten gefiel. (Vielleicht ende ich eines Tages auch wie Isaac Asimov, der sich andauernd darüber beschwert, daß den Lesern nach all den Jahren immer noch seine erste Geschichte am besten gefällt – alles, was danach kam, wurde als schlechter empfunden.) Aber diese Geschichte ist auch eine meiner persönlichen Lieblingsgeschichten. Ein Schriftsteller hat die Möglichkeit, Gott zu spielen, wenn er an einer Geschichte arbeitet, er hat die alleinige Macht über die erschaffene Welt und alle Lebewesen, die darin hausen – zum Guten wie zum Schlechten. Dabei existiert eine Art von allwissender Objektivität dem Geschriebenen gegenüber, denn man hat ja immer die völlige Kontrolle über das (imaginäre) Universum. Wenn aber eine Geschichte dann erst einmal im Druck vorliegt und erschienen ist, dann wird sie für mich mehr zu einer Geschichte, die jemand anderes geschrieben hat, ich verliere meine Objektivität und reagiere emotionell anders, als hätte ich sie nie zuvor gesehen. Als Resultat dessen sind einige meiner Geschichten wesentlich schlechter ausgefallen als die Art von Literatur, der ich normalerweise den Vorzug gebe, und ich habe wenig Lust, sie nochmals zu Gesicht zu bekommen. Bei der vorliegenden Geschichte allerdings verspüre ich keinerlei Bedauern, wenn ich sie heute wieder betrachte. Wenn ich keine Geschichte mehr schreibe, die den Leuten besser gefällt, würde ich auch nicht allzu sehr enttäuscht sein.
    Auch dieses ist eine Geschichte, die ihren Ursprung in einem Lied hat – in diesem Fall in einem Lied namens Brandy –, das von einer Frau handelt, die darauf wartet, daß ihr Mann vom Meer zurückkehrt, immer wissend und akzeptierend, daß für ihn zuerst das Meer kommt, dann sie selbst. Ich hatte Vernor gegenüber geäußert, daß eine ähnliche Geschichte, die im Weltraum angesiedelt sein müßte, ein unvergleichliches Potential zur Schilderung der Schönheiten des Weltenraums haben müßte. Er machte nun den Vorschlag, daß es die Frau sein müßte, die ins All fliegt, während der Mann zurückbleibt … Von diesem Punkt an entwickelte sich die Geschichte weiter, bis ich an einem bestimmten Punkt die Ähnlichkeiten zwischen meiner im Entstehen begriffenen Geschichte und dem Märchen Der standhafte Zinnsoldat von Hans Christian Andersen bemerkte. Da ich einen anthropologischen Hintergrund habe und schon immer von Mythologien (und Märchen und Sagen sind häufig abgeleitete Formen der Mythologie) fasziniert war, versuchte ich,
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