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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten
Autoren: Joan D. Vinge
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geleitete er sie zu den Bäumen. Sie kletterten im sandigen Seitental über Findlinge und Geröll, umrundeten eine Biegung, und dann sahen sie sie, in statischer Glorie erstarrt. Er hörte, wie sie tief einatmete. „Oh, Maris …“ In Licht und Farben gebadet, wandelte sie zwischen ihnen, während sie sich einmal mehr über die geduldige Kunstfertigkeit der Erde wunderte. Sie sah Amethyst und Achat, Kristall und die Formen von Holz, hexagonale Muster, die offen dalagen und prachtvolle Motive und geheimnisvolle Nebeltiefen zur Schau stellten. Sie kniete zwischen abgebrochenen Splittern nieder und hielt einige verschieden gefärbte gegen das Sonnenlicht.
    Er nahm auf einem umgefallenen Stamm Platz und hob Achatperlen auf. „Das sind sozusagen meine speziellen Freunde. Wir reisen in seltsam ähnlichen Körpern gemeinsam durch die Zeit …“ Er betrachtete sie mit vernarrtem Stolz. „Aber sie reisen anmutiger.“
    Sie legte ihre farbigen Splitter auf den Boden. „Nein … glaube ich nicht. Sie hatten keine andere Wahl.“
    Er senkte den Kopf und ließ Perlen in den Sand fallen.
    „Machen wir doch hier unser Picknick.“
    Sie säuberten ein angemessenes Umfeld, breiteten eine Decke aus und hielten zwischen den Bäumen ein Picknick ab. Die Sonne wärmte sie in ihrer windgeschützten Höhlung, er machte ein Kissen aus seiner Jacke, worauf sie sich Kopf an Kopf niederlegten und den wolkenlosen blaugrünen Himmel betrachteten.
    „Du verstehst dich wirklich darauf, ein vorzügliches Essen zusammenzustellen .“
    „Danke. Das war doch das wenigste …“ – ihre Hand streichelte seinen Arm, er schloß leise die Finger seiner Hand – „… was ich tun konnte, um an deinen Geheimnissen teilhaben zu dürfen, um zu lernen, daß die Wüste nicht öde ist, sondern unermeßlich, zeitlos und voller Geheimnisse. Aber ohne Leben?“
    „Nein, Leben gibt es nicht mehr. Es gibt kein Wasser, nichts kann hier leben. Nur noch am Meer kann Leben existieren, nur dort sind Dinge, es sei denn, es handelt sich um Dinge, die wir mitgebracht haben. Von jenseits unseres eigenen leblosen Wüstenmeeres.“
    „,Und mögen wir auch noch so weit im Lande sein, unsere Seelen sehen das unsterbliche Meer, das uns hierher gebracht hat.’“ Sie streckte ihre Hand dem Himmel entgegen.
    „Wordsworth. Das ist der einzige Text von ihm, der mir gefallen hat.“
    Sie lagen stumm in der Wärme nebeneinander. Ein Achatstückchen brach los und rollte zu Boden. Sie horchten auf.
    „Maris …“
    „Hmm?“
    „Bist du dir darüber im klaren, daß wir einander nun bereits seit einem Drei viertel Jahrhundert kennen?“
    „Ja …“
    „Ich glaube, ich habe dich fast eingeholt. Ich bin jetzt siebenundzwanzig. Ich werde dich bald überrunden. Aber nun wirst du es wenigstens nicht mehr miterleben müssen.“ Ihre Finger spielten mit den rostfarbenen Locken seines Haares.
    „Es würde sich niemals zeigen. Du wirst immer schön bleiben.“
    „Maris … lieber Maris.“
    Er spürte ihre Hand auf dem weichen Stoff seines Hemdes, sie strich zärtlich an seinem Körper hinab. Er richtete sich zornig auf und entfernte sich von ihr, die Hälfte seines Gesichts war gerötet. „Verdammt …!“
    Sie griff betroffen nach seinem Ärmel. „Nein, nein …“ Ihre Augen suchten nach seinem Gesicht, grau, kummervoll. „Nein, Maris … Ich … ich will dich.“ Sie öffnete ihren Anzug, zog den blausilbernen Stoff von ihren Schultern und kniete sich vor ihm hin. „Ich will dich.“
    Ihr Haar fiel bis zu ihrer Taille herab, es hatte die Farbe von warmem Honig. Sie ergriff zärtlich seine Hand. Er beugte sich langsam nach vorn und entblößte ihre Brüste und ihr klopfendes Herz. Ihre weiche Haut entzündete seine Nerven zu lodernden Flammen. Er zog sie zu sich und küßte sie lange und verlangend auf die Lippen, preßte sie gegen sein eigenes Herz, das wie wild pochte, und zerzauste ihr dichtes Haar. „O Gott, Brandy …“
    „Ich liebe dich, Maris … Ich glaube, ich habe dich immer geliebt.“ Sie klammerte sich kalt und zitternd im Sonnenlicht gegen ihn. „Und es wäre falsch, dich jetzt zu verlassen, ohne es dir zu sagen.“
    Da erst erkannte er, daß er vor Furcht zitterte, eine Furcht, die auf eine Art und Weise mit ihrer Liebe verbunden war, die er nie begreifen konnte. Doch er zog sie, ohne sich weiter über die Zukunft den Kopf zu zerbrechen, an sich und beendete ihr Zittern mit seiner Freude.
     
    Am Abend saß sie ihm an der Bar gegenüber und trank
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