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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten
Autoren: Joan D. Vinge
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ihm beliebt. Dämonen sind nicht wie Ihr und ich an das Rad der Veränderung gefesselt. Aber Ihr werdet ihn gewiß von Angesicht zu Angesicht sehen – obwohl er kein Gesicht hat –, wenn Ihr kommt.“ Sie strich über das Bündel an ihrer Seite. „Ja – vergeßt nicht, auch ich habe Wächter für meine Sicherheit in dieser Übereinkunft. Ein Dämon vergißt niemals etwas.“
    Endlich erhob sie sich, wobei sie sich noch einmal im Raum umsah. „Bestimmt wird es mir hier gefallen.“ Sie sah Chwiul an. „Ich werde nach Euch Ausschau halten, wenn der neue Tag angebrochen ist.“
    „Wenn der neue Tag angebrochen ist.“ Er stand auf, Licht funkelte in den Juwelen seiner Flügel.
    „Ihr braucht mich nicht zu begleiten. Ich werde diskret sein.“ Sie verbeugte sich wie eine Gleichgestellte, dann schritt sie auf die dunkle Halle zu. „Aber Euren Wachmann werde ich mir ganz bestimmt vom Hals schaffen. Er kann eine Lady nicht von einer Bettlerin unterscheiden.“
     
    „Das Rad dreht sich ein weiteres Mal für mich, mein Dämon. Mein Leben in den Sümpfen wird mit Klovhiris Leben enden. Ich werde in die Stadt ziehen – und ich werde wieder Herrin meines Besitzes sein, wenn die Fische auf den Bäumen sitzen.“
    T’uupiehs fremdartiges Gesicht glomm vor boshafter Freude, als sie auf dem Bildschirm des Computerterminals ihr Gesicht abwandte. Shannon Wyler lehnte sich in seinem Sitz zurück, beendete das Abtippen seiner Übersetzung und nahm die Drahthaube ab. Er glättete sein langes, blondes und strähniges Haar, eine Geste der Gewohnheit, die ihm half, sich wieder in seiner Umgebung zu orientieren. Wenn T’uupieh sprach, konnte er niemals die Objektivität aufbringen, die er benötigt hätte, um nicht zu vergessen, daß er sich immer noch auf der Erde befand und nicht auf dem Titan, der eineinhalb Milliarden Kilometer entfernt um den Saturn kreiste. T’uupieh, wenn immer ich glaube, dich zu lieben, schneidest du jemandem die Kehle durch …
    Als er das glückwünschende Murmeln der Techniker des Stabes hörte, die buchstäblich an seinen Lippen hingen und auf neue Informationen warteten, nickte er unbestimmt. Sie begannen sich hinter ihm zu zerstreuen, als der Computer Kopien des Transkripts herstellte. Kaum zu glauben, daß er das nun schon seit mehr als einem Jahr tat. Er sah auf und betrachtete die Konzertplakate an der Wand mit Nostalgie, allerdings ohne Bedauern.
    Jemand telefonierte nach Marcus Reed. Er seufzte resigniert.
    „,Wenn die Fische auf den Bäumen sitzen!’ Ist das Sarkasmus, oder was?“
    Er betrachtete Dr. Garda Bachs üppige Gestalt über die Schulter. „Hallo, Garda. Ich hab’ dich gar nicht reinkommen hören.“
    Sie sah von ihrer Kopie der Übersetzung auf und tippte ihm sanft mit ihrer gegabelten Krücke auf die Schulter. „Ich weiß, mein Junge, du hörst nie etwas, wenn T’uupieh spricht … Aber was soll das heißen?“
    „Auf Titan ist das ein Anzeichen für das Herannahen des Sommers – wenn die Triphibien ihre dritte Metamorphose erleben. Sie meint damit fünf Jahre unserer Zeitrechnung.“
    „Ah! Natürlich. Das olle Hirn ist auch nicht mehr das, was es mal war.“ Sie schüttelte ihren grauweißen Kopf, ihr schwarzer Mantel wirbelte melodramatisch.
    Er grinste, da er wußte, sie meinte kein Wort davon ernst. „Zusätzlich zu fünfzig anderen Sprachen auch noch Titanisch zu lernen ist vielleicht der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt.“
    „Ja, ja, vielleicht ist das so …“ Sie ließ sich schwer in den nächsten Sessel sinken, und schon war sie wieder in das Manuskript vertieft. Er hatte nie damit gerechnet, daß er die alte Scharteke einmal so liebgewinnen würde. Ihre Gegenwart war ihm erstmals in Berkeley bewußt geworden, als er Linguistik studiert hatte – sie war die grande dame der Linguistik gewesen, die noch aus der Zeit stammte, als es hier auf der Erde noch unregistrierte Sprachen gegeben hatte. Doch ihre Fähigkeit, ihren Namen gedruckt zu bringen und ihr Gesicht ins Fernsehen, und zwar als Expertin für das, was jeder „wirklich meinte“, hatte ihn davon überzeugt, daß ihr Talent darin lag, sich bestens an den Mann zu bringen. Auch als er ihr schließlich persönlich begegnet war, hatte er diese Meinung nicht geändert, doch er hatte sich davon überzeugen können, daß sie ihr Handwerkszeug in kultureller Linguistik beherrschte. Und das wiederum überzeugte ihn davon, daß ihr Akzent völliger Schwindel war. Aber ungeachtet ihres Schwindels
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