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Bernie allein unterwegs

Bernie allein unterwegs

Titel: Bernie allein unterwegs
Autoren: Sabine Thiesler
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noch höher kommen. Aber leider war bei dem Satz das Band gerissen und der Rucksack abgegangen. Also nahm ich ihn in die Schnauze und fühlte mich auch gleich viel wohler so. Jetzt sah es so aus, als hätte ich diese rosa Tasche irgendwo gefunden.
    Auf der Straße sah ich mich um. Um diese Zeit war kein Mensch unterwegs, aber das war auch gut, denn so erregte ich wenigstens keinen Verdacht. Wenn Kinder oder Hunde nachts allein unterwegs waren, dachten die Menschen immer gleich an ganz schreckliche Sachen, fingen einen weg und brachten einen sofort zur Polizei.
    Maike stand am erleuchteten Fenster und winkte. Ich setzte
mich hin, sah zu ihr hinauf und hob eine Pfote. Dann drehte ich mich schnell um und lief los.
    Ich lief nur wenige Minuten, dann war die Neubausiedlung zu Ende. Ganz in der Ferne blinkten schon die Lichter Husums und die der Schiffe im Hafen.

RUDI
    Ich lag am Kai und sah zu, wie die Sonne aufging. Es würde wieder ein sonniger, warmer Spätsommertag werden. Die Häuser hier am Hafen gefielen mir. Sie waren klein und bunt, jedes hatte eine andere Farbe.
    Aber eins irritierte mich. Die wenigen Schiffe, die im Hafenbecken lagen, schwammen nicht etwa im Wasser, sondern steckten ganz tief unten im Schlamm. Hier konnte niemand rausfahren, und die Fischer konnten auch nicht zurückkommen. Das Meer war mal wieder weg und ebenso meine Aussicht auf frischen Fisch zum Frühstück.
    Ich verstand die Welt nicht mehr. Mama hatte nie etwas davon erzählt, dass das Meer kam und ging, wie es Lust hatte. Ich dachte, das Meer wäre immer da. Genauso wie die Berge, Flüsse, Wiesen und Felder, die Dörfer und die Städte.
    Immer wieder fielen mir die Augen zu. Ich war heute Nacht einfach zu lange wach gewesen.
    Gerade als ich mir einen Schlafplatz suchen wollte, öffnete sich eine Haustür, und ein Terrier wurde an einer langen Kette herausgezerrt. Sein Besitzer hakte die Kette vor der Tür in einen eingemauerten Ring und verschwand wieder im Haus.

    Da saß er nun, der arme Kerl, und konnte sich nur ein paar Schritte hin und her bewegen, weil die Kette nicht länger als drei Meter war. Ungefähr genauso lang wie die Box bei Küsters, in der wir Welpen geschlafen hatten. Und Mama hatte immer gesagt: »Seid froh, dass ich nicht zehn Welpen bekommen habe. Für so eine Hundemeute würden die läppischen zwei mal drei Meter niemals reichen!«
    Der arme Hund sah mich an und wedelte mit dem Schwanz, was so viel hieß wie: Was bist denn du für ’n Typ? Ich hoffe, du tust mir nichts, ich bin nämlich angekettet.
    Langsam ging ich auf ihn zu.
    »Hei«, sagte ich, und ich glaube, er grinste.
    »Moin, moin. Wo bist du Landratte denn angetrieben worden?«
    Aha. Diesmal war ich also eine Ratte. Darauf zu antworten, hatte ich überhaupt keine Lust.
    »Was sagt denn deine Mutter, das Walross, dazu, dass du Stück Treibholz hier so alleine rumdümpelst?«
    Der kleine Kläffer war wirklich zu frech.
    »Pass auf, was du sagst, Kumpel, sonst gibt’s gleich mal eins auf die Nase, bevor wir uns näher kennengelernt haben!«
    »Reg dich ab, Sportsfreund«, meinte der Terrier. »Komm mal ’n bisschen näher, und lass dich beschnuppern. Wohnst du neuerdings hier? Ich hab dich nämlich noch nie gesehen.«
    »Nein. Ich wohne nirgends. Ich hatte nette Menschen kennengelernt, aber die konnten mich nicht behalten. Und bevor die mich ins Tierheim bringen konnten, bin ich abgehauen. «

    Der Terrier nickte. »Tierheim ist schlimm. Noch schlimmer als die Kette hier.«
    »Bist du immer angebunden?«
    Der Terrier nickte wieder. »Seit vier Jahren. Sicherheitshalber. Ich bin einfach zu explosiv. Renne sofort weg, wenn ich frei bin, und komme in Lebensgefahr. Bin einmal vor einem riesigen Kreuzfahrtschiff ins Wasser gesprungen. Das hat sich so erschreckt und gebremst und das Steuer verrissen, dass es hier an der Mole drei Barkassen versenkt hat. War ein Millionenschaden. Da knausert mein Chef heute noch dran rum, und seitdem hat er mich an Anker gelegt. Aber so kann ich wenigstens rumgucken und kriege jeden Abend mein Fressen. Ich kenne Hunde hier in Husum, die sind jeden Tag zehn Stunden in der Wohnung eingesperrt und kommen nur abends ’ne halbe Stunde raus. An der Leine. Da hab ich’s besser.« Er bekam einen leichten Schluckauf.
    Ich konnte mir in dem kleinen Hafenbecken zwar kein großes Kreuzfahrtschiff vorstellen und war davon überzeugt, dass er das Maul zu voll genommen hatte, aber trotzdem gefiel mir der kleine Terrier. Er hatte einen
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