Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bernie allein unterwegs

Bernie allein unterwegs

Titel: Bernie allein unterwegs
Autoren: Sabine Thiesler
Vom Netzwerk:
einen Moment niemand auf mich achtete, legte ich mich einfach auf die hellbeige Couch. Herrlich, so ein weiches, warmes Sofa! Und auch in der Länge genau richtig für mich.
    »Maike, überleg mal«, sagte Maikes Mutter schließlich ganz leise. »Gibt es irgendwelche Jungen oder Mädchen in deiner Klasse, die sich schon länger einen Hund wünschen, auch einen haben dürften, aber eben keinen haben?«
    Maike schüttelte so heftig den Kopf, dass mir angst und bange wurde, dass er abfallen würde.
    »Und du, Tom?«
    Tom schüttelte genauso heftig den Kopf.
    Frau Redlich sah ihren Mann an. »Wir haben schon hin und her überlegt, aber wir wissen auch niemanden.«
    »Dann hilft es alles nichts«, sagte Herr Redlich. »So leid es mir tut, aber wir müssen ihn ins Tierheim bringen. Welpen werden ja ziemlich schnell vermittelt. Vielleicht hat der kleine Kerl Glück. Er sieht zwar nicht wie ein richtiger Bernhardiner aus, aber es wird wohl auch Leute geben, die das nicht stört.«
    Maike fing an zu weinen. »Mich stört es nicht!«, kiekste sie. »Mich stört es überhaupt nicht. Ich finde ihn wunderschön.«
    Als ich das hörte, hatte ich ein ganz warmes Kribbeln im Bauch.

    Maikes Mutter seufzte. »Wir finden ihn alle wunderschön, Maike. Darum geht es nicht. Aber es gibt nun mal leider keinen Ausweg. Ich werde heute noch mit dem Tierheim telefonieren, und morgen bringen wir ihn hin. Es ist das Beste, glaub mir. Für ihn und für uns.«
    Maike hörte gar nicht mehr auf zu weinen. Plötzlich schrie sie auf und rannte aus dem Wohnzimmer. Ich sprang von der Couch, um ihr hinterherzulaufen.
    Da sah ich es auch schon. Ein perfekter dunkler Bernhardinerabdruck auf der hellen Stoffcouch. Wunderschön, die Umrisse meines Bauches, den Frau Redlich wohl nicht richtig abgetrocknet hatte, meines Kopfes und meiner vier Pfoten. Wie gemalt! Das war Hundekunst! Und das Beste daran war, dass man das Bildnis auf der Couch nicht einfach wie die Wand überstreichen konnte.
    So hatte die Familie von mir wenigstens eine bleibende Erinnerung.

TSCHÜSS
    Maike schluchzte zum Gotterbarmen und weinte mir das Fell nass. Wir lagen beide im Bett. Sie hatte auch noch die Bettdecke über uns gezogen, hatte ihre dünnen Arme um mich geschlungen und drückte mich ganz fest an sich, als wollte sie mich nie wieder loslassen.
    Nicht nur, dass es in dieser Betthöhle unerträglich heiß war und ich kaum Luft bekam, das Schlimmste war, dass ich nicht wusste, wie ich Maike klarmachen sollte, dass ich wegmusste. Auf keinen Fall wollte ich im Tierheim in einen Zwinger gesperrt werden und warten, bis mich irgendjemand holte, den ich mir noch nicht mal selbst aussuchen konnte. Und ich war mir ziemlich sicher, dass mich keiner holte, eben weil ich nicht so aussah, wie man auszusehen hatte. Also würde ich bis ans Ende meiner Tage in so einem hässlichen engen Betonzwinger verschimmeln.
    Jetzt war meine letzte Chance, das zu verhindern.
    Nur Maike tat mir so unendlich leid.
    »Ich hab dich lieb, kleiner Bernhardiner, ich hab dich so lieb«, flüsterte sie.
    Meine Augen wurden feucht, und ich leckte ihr voller Dankbarkeit
übers Gesicht. Ihre Tränen schmeckten wunderbar salzig.
    »Ich werde dich nie vergessen! Nie, nie, nie, nie, nie!«
    Sie küsste mich auf die Nase, und ich leckte ihr noch mal übers Gesicht. Bei uns Hunden bedeutet das: Du bist mein Freund. Die wenigsten Menschen haben das begriffen. Meistens sagen sie »iiihh!« und wischen sich ganz schnell das Gesicht ab, als würden wir eklige Krankheiten übertragen. Aber Maike tat das nicht.
    Sie schlug die Bettdecke weg und machte das Licht an. Es war mitten in der Nacht und draußen noch stockdunkel. Eine gute Zeit, um abzuhauen. Jetzt war kaum noch jemand auf der Straße unterwegs.
    Am liebsten hätte ich Maike erzählt, dass ich sowieso nie vorgehabt hatte, mein ganzes Leben in diesem Haus und in dieser Familie zu verbringen, weil ich nämlich auf der Wanderschaft und auf der Suche nach meinem Vater Hugo vom Walde war. Sicherlich hätte sie das verstanden, und dann hätte sie auch nicht so fürchterlich weinen müssen. Sie würde sich wahrscheinlich auch auf die Socken machen, wenn ihr Vater so weit weg wohnen würde.
    Aber ich konnte es ihr nun mal nicht erklären. Es war zum Verrücktwerden!
    Sie drückte mich noch einmal ganz fest an sich und kraulte mich hinter den Ohren.
    Und dann passierte etwas, was wie ein ganz großes Wunder war. Bis heute kann ich nicht glauben, was ich für ein Glück
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher