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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna
Autoren: Sandberg
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einem Spruch von Oma
Jadwiga kommen, noch dazu einem, der überhaupt nicht zum Thema passte! Darüber
konnte Jadzia sich aufregen. Was sollte er von ihnen denken? Irgendwelche
Dorfdeppen, wird er denken, auf dem Absatz kehrtmachen und wegfahren. Mein
Vater war ein Kriegsheld, auf dem Feld der Ehre gefallen, mit Apfelblüten
beschneit, antwortete sie auf die nächste Frage des Gastes, bevor ihre Mutter
zu Wort kommen konnte. Zofias Gesicht verdüsterte sich, und sie sagte nichts mehr,
bis der Besuch ging.
    Beim Abschied fielen Worte, die
Jadzia zum Anlass nahm, sich romantischen Phantasien hinzugeben, in denen
Glocken zur Hochzeit läuteten und das Gesicht der Braut hinter einem Schleier
verborgen war. Vielleicht komme ich mal wieder, hatte der Ausländer gesagt und
Jadzia dabei in die Augen gesehen, vielleicht komme ich mal wieder, um Kirschen
zu essen. Er sagte das so klug und bedeutungsvoll (bloß — was sollte es
bedeuten?), wie es der Oberarzt aus der Aussätzigen hätte
sagen können und nicht irgendein hergelaufener Typ. So ein Wiesiek Dorosz oder
Czesiek Kociuba, die konnten höchstens fragen: Kommst du mit zum Tanzen ins
Sosenka? und guckten ihr dabei auf die Titten und nicht in die Augen. Keine
Spur von Romantik! Jadzia erwehrte sich der Hände und Lippen von Wiesiek und
Czesiek, die sie nie richtig auseinanderhalten konnte, und träumte von dem
Ausländer, von einem Gutsherrn, vom Oberarzt und der blauen Ferne, in die sie
sich entführen lassen würde wie ein Paket ohne Rücksendeadresse.
    In Zalesie gab es keine Gutsherren
mehr, das Landgut war zu Schule, Gesundheitszentrum und Lebensmittelladen
umfunktioniert worden, nachdem alles rausgeholt worden war, was nicht schon die
deutschen Besatzer, die abgezogen waren, und die sowjetischen Besatzer, die
sich als Befreier gaben, mitgenommen hatten. Jeder Vergleichsmöglichkeit
begeben, summte Jadzia in schiefen Tönen von Rebekka der armen, die in
Vergessenheit wartet, bis Du kommst, nur Du ... doch es gab keine Fortsetzung,
es wurden keine Kirschen mehr aus einer gepflegten Männerhand verspeist, das
war's gewesen, ein nicht gehaltenes Versprechen, kleine Fliegen, die im Licht
der untergehenden Sonne tanzten, ein davonfahrendes Auto. Nach ihrem Praktikum
im Spital in Skierniewice bekam Jadzia eine Arbeit in der neuen Arztpraxis in
Zalesie, und Oberarzt Michorowski nahm immer mehr die Züge des dort angestellten
Doktor Maciej Malczyk an. Auch ein Name mit M! Das war ein Zeichen — Jadzia
blieb fast das Herz stehen. Von ihren ersten Ersparnissen ließ sie sich einen
Pepitamantel nähen, mit einem Kragen aus Kaninchenpelz, für den sie aus der
Truhe ihrer Mutter das am wenigsten von Mäusen und Motten angefressene Stück
genommen hatte. Auf dem Markt in Skierniewice kaufte sie bei einer fuchsigen
Zigeunerin ein sowjetisches Parfüm namens »Roter Mohn«, im staatlichen Geschäft
eine Handtasche und farblich passende Stiefelchen. Jetzt war sie zur Erfüllung
der auf sie maßgeschneiderten Träume bereit. Vor der Sonntagsmesse betrachtete
sie sich in dem alten Spiegel im Flur, aus dem ihr eine Wassernixe
entgegenblickte. Einer Frau, die ihr nicht im geringsten ähnlich sah, mit
dunklen Augen, Haaren wie eine Wilde und elfenbeinweißem Teint, spritzte
Jadzia kaltes Wasser ins Gesicht, und die Erscheinung verschwand so schnell,
dass Jadzia gar nicht glauben konnte, sie gesehen zu haben.
    So zog sie los zur Kirche,
vorsichtig setzte sie auf der vereisten Dorfstraße einen Fuß vor den anderen.
Vor der Hütte von Gorgol rutschte sie aus. Sie ruderte mit den Armen in der
Luft, schrie Herrjeh, ließ die Tasche fallen, die zwei Meter weiter
schlitterte, wie eine Melone aufplatzte und ihr rotglänzendes Inneres
hervorkehrte. Jadzia kam nicht wieder ins Gleichgewicht, sie stürzte und brach
sich den rechten Arm an drei Stellen. Als man ihr im Krankenwagen den
Mantelärmel aufschnitt, sah sie ihren gelben spitzen Knochen mit einem Fetzen
Fleisch daran, ihre stachelbeergrünen Augen verdrehten sich, versanken in der
Tiefe ihres Schädels, sie wurde ohnmächtig. Am folgenreichsten war der Bruch
des Handgelenks, Nerven waren zu Schaden gekommen, und Jadzia konnte ihre
rechte Hand nie wieder richtig gebrauchen. Zeige- und Mittelfinger blieben
krampfhaft gekrümmt, und jeder Befehl des Gehirns versickerte irgendwo im
Bereich des Ellbogens. Den Arm heben konnte sie nur, wenn sie mit dem anderen
nachhalf, ihr Winken wirkte wie die infantile Karikatur dieser Gebärde. Von da
an
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