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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna
Autoren: Sandberg
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Vasen, Becher, Schälchen und Schalen mit
kristallenen Löffeln. Und dazwischen possierliche Figürchen, Hündchen,
Kätzchen, Madonnen. In den Kristallgefäßen Blumen, Flieder, Rosen, Gerbera,
wie echt, wie frisch gepflückt. Überall ein Glänzen und Strahlen, so
blankgeputzt, dass zwischen den Kristallsachen Regenbogen entflammten und die
Augen von diesen sprühenden Regenbogen richtig wehtaten. Und auf dem Klo
Maiglöckchenduft und bunte Shampoos. Frau Grzebieluch reichte fortwährend
Teller mit allen möglichen Kleinigkeiten herum, alles so köstlich, dass einem
das Wasser im Munde zusammenlief, und dazu wurde reichlich eingeschenkt. Ach,
diese Glassachen haben sich so angesammelt, quittierte sie Stefans aufrichtige
Begeisterung achselzuckend, für sie war es nichts Besonderes, dass die ganze
Schrankwand mit Kristall vollgestopft war. Nur gut, dass diese dürre
Grzebieluch nicht nach Stefans Geschmack war, denn zu viel Schönheit, das hätte
ihn auf dem Namenstag von Obersteiger Grzebieluch glatt umgehauen. Dieses
Kristall, Stefan, dieses Kristall! seufzte Jadzia, als sie mit dem Nachtbus
nach Hause fuhren, meinst du, das ist unsres oder von den Pepiks? Ein Vermögen,
wenn man dieses Kristall zu Geld machen würde.
    Wenn sie erst ihre eigene Wohnung
auf Piaskowa Göra haben, werden sie auch am Jadwiga- und am Stefanstag
Namenstag feiern und zeigen, was sie zu bieten haben. Hinterher gibt es zum
Kaffee Pralinen aus einer Kristallschale mit Henkel, der auch aus gebogenem
Kristall ist. Stefan erklärt Dziunia, dass sie das dann ganz lässig herumreichen
muss, so als ob sie jeden Tag Konfekt aus der Kristallschale naschen würden,
statt das alles bloß in der Hausbar unter Verschluss zu halten, für Besuch.
Stefan kann es kaum erwarten. Innerlich zerreißt ihn plötzlich eine solche
Ungeduld, dass er einen Furz lässt. Jadzia macht sofort das Fenster auf, du
Ferkel, sagt sie, kräuselt die Nase und wedelt mit dem Geschirrtuch. Um sie zum
Lachen zu bringen, öffnet Stefan beim nächsten Mal selbst das Fenster und
streckt den Hintern raus, Deutsche, in Deckung! ruft er, ich schieße! Das sind
so ihre häuslichen Scherze, die man vor anderen nicht macht, doch in den eigenen
vier Wänden, da ist man ja sein eigener Herr. Nicht selten machte Stefan nach
der Arbeit noch einen Umweg, um zu sehen, wie ihr Haus in die Höhe wuchs. Der
Wind zerzauste ihm die kartoffelschalbraunen Haare und trieb ihm die Tränen in
die von Kohlenstaub umrandeten Augen, doch er zählte die Stockwerke und
veranstaltete in Gedanken ein Namenstagsfest, öffnete die Hausbar in der noch
nicht existierenden Schrankwand. Jetzt würde alles Wirklichkeit, Stefan Chmura
kam nach Piaskowa Göra.
    Die neue Walbrzycher Siedlung
wuchs auf einem Hügel voller windgekrümmter Birken empor. Im Winter türmten
sich auf seinem Gipfel die Schneehaufen, und noch im Mai lagen Reste herum,
überzogen mit einer schwarzen Rußschicht, die aussah wie verbrannte Haut. In
den übrigen Jahreszeiten wehte der Wind den Abfall aus der ganzen Gegend
hierher, unter Frühlingsstürmen flatterten sogar Zeitungen aus Breslau und
Liegnitz herüber. Von Sturmböen erfasst trudelten Papierschnipsel,
Stofffetzen, rostige Rohre, tote Vögel und Hundehaufen durch die Luft. Später
werden sogar deutsche Schokoladenpapierchen über die Grenze geweht, die tragen
die Aufschrift Milka und das Bild von einer lachenden Kuh und riechen noch nach
Kakao. Die Kinder von Piaskowa Göra werden sie sammeln, mit den Fingernägeln
das Stanniolpapier glattstreichen und solange daran riechen, bis der
Schokoladenduft weg ist. Vor dem Krieg hieß der sturmumbrauste Berg Sandberg [Polnische Übersetzung: Piaskowa Göra] . So steht es auf der Karte, die
Haiina Chmura, Stefans Mutter, in der Wohnung im Stadtteil Szczawienko gefunden
hat, von den Vormietern zurückgelassen. In Frakturschrift saß der Name in
Habachtstellung zwischen den Bäumlein und Büschen, drei Striche pro Busch, wie
Haare auf einer Warze. Der Sand, aus dem der Berg bestand, diente der
Herstellung von Glas in der Walbrzycher Hütte. Die Deutschen hatten den Hügel
nie bebaut, die alten, einstmals deutschen Arbeiterhäuser machten am Fuß des
Sandbergs Halt und wandten ihm die Küchen- und Badezimmerfenster zu. Nicht mal
die Ziegen weidete man dort gern, und Paare, die ein wenig Einsamkeit suchten,
gaben jedem anderen Ort den Vorzug. Diese Hure vom Sandberg, so hieß es von den
Mädchen, die sich nicht um den Verlust ihres guten Rufes -
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