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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna
Autoren: Sandberg
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versuchen — den Komödianten
Stefan zum Schweigen zu bringen. Mit den Schultern zeigt er, wie er schritt,
mit der an die Stirn gelegten Hand betont er, wie er plötzlich auf der
Bahnhofstreppe Jadzia erspähte, Jadzia in Not. Und gleich darauf der Höhepunkt
mit Auffangen und Fallen und Fallen und Auffangen, grand finale. Jadzia fällt,
und Stefan, der Bergmann mit Adlerblick und Gladiatorenarmen fängt sie auf -
zack. Hosanna! Kein Mantel mit zweierlei Ärmeln mehr, keine zerbrochenen Eier
aus dem Dorf, nur schäumender Schampus, bulgarischer Cognac, goldene Rubel und
Perlen, nicht mehr Jadzia, sondern Dziunia [ Ostpolnische
und ukrainische Koseform für Jadwiga] , nicht mal mehr Watbrzych,
sondern fast schon BeErDe. Die Puppe ist mir ganz von selbst zugeflogen, und
ich — zack, hab sie geschnappt! Wie weiblich ist es, so durch die Luft zu
segeln, und wie männlich, so aufzufangen, die ganze Gesellschaft ergeht sich in
lobendem Hoho! Dann darauf ein Schluck für den Specht, sagt Stefan, und er
prickelt vor Glück. Sein Glück, das ist Jadzia. Jadzia hofft, das Glück kommt
irgendwann später.
     
    ***
     
    Pass auf, der Dreck, Dziunia. Sie
sind unterwegs, um zum ersten Mal die Wohnung zu besichtigen, die ihnen in der
neuen Walbrzycher Siedlung Piaskowa Göra zugeteilt worden ist. Das Haus von
Stefan und Jadzia hat neun Eingänge und elf Stockwerke und eine große
gemeinsame Terrasse. Mit schwankenden Schnäbeln bewegen die Kräne Betonplatten
von einer Stelle zur anderen, der Sand wird unter den Rädern der Lastwagen zu
Schlamm und spritzt, als spuckte einer durch zusammengebissene Zähne. Das
Ehepaar Chmura hat eine Zweizimmerwohnung auf dem neunten Stock zugeteilt
bekommen: ein Esszimmer, wo die Klappcouch aufgestellt wird, auf der nachts die
Eltern schlafen, ein Kinderzimmer, Küche und Bad mit Toilette. Und überall
Heizkörper. Ein sagenhaftes Glück.
    Das ist alles Stefans Pfiffigkeit
zu verdanken. Jetzt war Schluss mit dem Aufeinanderhocken in einer ehemals
deutschen Bruchbude, Schluss mit den Nazischränken und Gestapo-Klobrillen, mit
den Ofen, derentwegen kürzlich jemand im Haus nebenan in Szczawienko an
Rauchvergiftung gestorben war. Verdammt, sie hätten warten können, bis sie
schwarz geworden wären, sagt Stefan zu Jadzia, jawohl, wenn er, Stefan, nicht
wüsste, wie man mit Leuten redet. Wie man sich zum Beispiel an diesen Ingenieur
Waciak ranmacht, wie man ihm Honig ums Maul schmiert, damit er denkt, man
kriecht ihm in den Hintern. Aber wenn man von einem solchen Menschen geschätzt
wird, und zwar so, dass einem ganz wohlig wird dabei, das ist etwas völlig
anderes. Verstehst, Dziunia? Stefan hat von alten Kumpels gehört und erzählt
es nun Jadzia weiter, dass Ingenieur Waciak inzwischen ein Bonze ist, der
scheißt höher, als ihm der Arsch sitzt, wie es heißt. Er spekuliert auf die
Nachfolge des Direktors. Den Vize Mrugala will er überspringen. Und dieser
Mensch, der es noch ganz weit bringen wird, der hat Stefan »mein Sohn« genannt.
Mein Sohn, hat er gesagt, Dziunia, und dann hat er mit mir getrunken wie mit
seinesgleichen. Ich versprech dir, mein Sohn, dass ich da was ausrichte für
dich, ich hab einen Draht zur Genossenschaft. Und das ist die Hauptsache, sagt
Stefan immer wieder zu Jadzia, einen Draht muss man haben und Protektion im
Rücken. Jadzia hat nur Schmerzen im Rücken, vom Bücken bei der Wäsche, aber
Stefan verspricht ihr, dass sie mit der Zeit auch eine Waschmaschine kriegen
wird. Auch eine Urlaubsreise steht auf dem Plan und eine Schrankwand, auf
Hochglanz lackiert, wie er sie bei Obersteiger Grzebieluch gesehen hat, als er
dort zum Namenstag war. Dziunia, hast du dort bei euch auf dem Dorf schon mal
so eine Schrankwand gesehen?
    Den Obersteiger Grzebieluch
bewundert Stefan genauso wie den Ingenieur Waciak, vielleicht sogar noch mehr.
Guck dir alles gut an, Dziunia, und merk es dir, hat er zu ihr gesagt, als sie
auf seinem Namenstag waren. Als Grzebieluch die Hausbar aufgeklappt hat, kam
von dort eine Helligkeit, dass es Stefan fast blendete. Innen beleuchtet, durch
einen Spiegel verstärkt, und ganz und gar vollgestellt mit kleinen
Alkoholfläschchen. Wenn sie leergetrunken sind, schüttet man Tee hinein, damit
es weiter hübsch aussieht, war doch schade, etwas wegzuwerfen, was schön ist.
Die ganze Schrankwand war außerdem so dicht mit Kristall und Figürchen
vollgestellt, dass kein Finger mehr dazwischenpasste. Was es da nicht alles
gab! Zuckerdosen, Eimer, Schatullen,
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