Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Magier in Nöten

Ein Magier in Nöten

Titel: Ein Magier in Nöten
Autoren: Craig Shaw Gardner
Vom Netzwerk:
 
Kapitel Eins
     
     
›Ein Zauberer ist nur so gut wie seine Sprüche‹, hört man oft sagen. Hierzu ist zu bemerken, daß diese Behauptung vor allem von Leuten aufgestellt wird, die selbst nie Zauberer gewesen sind.
Diejenigen von uns dagegen, die es sich zur Aufgabe gesetzt haben, als Zauberer ganz nach oben zu kommen, wissen, daß die Kenntnis von Sprüchen nur eine relativ unbedeutende Angelegenheit im Leben eines erfolgreichen Magiers darstellt. Mindestens genauso lebenswichtig sind eine schnelle Auffassungsgabe, eine besondere Art zu sprechen und, vielleicht das Wichtigste, die gute Kenntnis von Nebenstraßen, unterirdischen Gängen und besonders undurchdringlichen Waldstücken für jene peinlichen Situationen, wenn der Spruch, den man todsicher beherrschte, dann doch ganz anders wirkte.
    - aus den LEHREN DES EBENEZUM, Band I
     
    Der Tag war ruhig und schön, vielleicht sogar ein wenig zu schön. Zum ersten Mal in dieser Woche erlaubte ich mir, alle Probleme zu vergessen und nur an Alea zu denken. Alea! Meine belle d’après-midi. Ihren Namen hatte ich erst an unserem letzten gemeinsamen Tag erfahren, bevor sie sich, wie sie es nannte, ›besseren Dingen‹ zuwandte. Aber so sicher, wie sie mich verlassen hatte, so sicher wußte ich auch, daß wir uns wiedersehen würden. In Vushta war alles möglich.
    Der Magier nieste.
    Ich erwachte aus meinen Tagträumen und war sofort auf der Hut. Mein Meister, der Zauberer Ebenezum, der größte Magier in den ganzen Westlichen Königreichen, hatte geniest. Das konnte nur eins bedeuten:
    Zauberei lag in der Luft!
    Ebenezum winkte mir, ihm zu folgen; als er rannte, flatterten seine stattlichen, mit unzähligen Stickereien versehenen Magierroben hinter ihm her. Wir stürzten auf ein paar Bäume in der Nähe zu.
    Ein heiserer Schrei drang aus den Büschen auf der anderen Seite der Lichtung.
    »Tod dem Zauberer!«
    Etwa drei Fuß über meinem Kopf bohrte sich der Speer in den Baum. Ein halbes Dutzend Krieger rannte aus dem Unterholz, tödliche Kampfschreie auf den Lippen. Sie hatten sich mit schwarzer Farbe bemalt, um einen besonders furchterregenden Eindruck zu erwecken. Ihre Schwerter waren so lang wie ihre Arme.
    Auf dem Speer waren offensichtlich ein paar primitive Zauber eingeritzt. Also, nur ein weiteres Attentat. Auf gewisse Weise war ich sogar enttäuscht. Einen Augenblick lang hatte ich gedacht, es wäre etwas Ernstes gewesen.
    Es ging also wieder los. Ich konnte mich zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr des Eindrucks erwehren, daß diese Mordversuche langsam etwas ermüdend wurden. Die angenehmen Gedanken an meine belle d’après-midi waren dahin. Und auch wenn diese Angriffe in ihrer Regelmäßigkeit so gräßlich langweilig waren, schien es doch nicht geraten, ihnen zu lasch zu begegnen.
    Ich sah zu meinem Meister hinüber. Der Magier Ebenezum, einer der gelehrtesten Männer auf dem großen Kontinent, den wir gerade überquerten, nickte kurz und hielt sich seine Nase zu.
    Ich brachte meine Hände in die dritte Beschwörungsposition. Mit einem tiefen Atemzug trat ich aus meinem Versteck heraus. »Halt, Schurken!« rief ich.
    Die Kämpfer schienen meine Warnung nicht zu beachten und stürmten mit unverminderter Wut über das Feld. Das hochgesteckte blonde Haar ihres Anführers wackelte mit seinen Sprüngen wie ein Vogelnest im Wind. Er schleuderte einen weiteren Speer, wobei er stolperte und beinahe hinfiel. Seine Trefferquote war ziemlich erbärmlich.
    Eilig wob ich mit meinen Händen ein magisches Muster in die Luft. Während der letzten Tage unserer überstürzten Flucht hatte Ebenezum jede Pause, die wir uns erlauben konnten, dazu benutzt, mir die Grundzüge der Zeichenmagie zu vermitteln. Es war wirklich nicht besonders schwer. Wenn ich einige einfache Gesten beherrschte, standen Erde, Luft, Feuer und Wasser zu meiner Verfügung.
    Trotzdem wollte ich bei meinem ersten Alleingang nichts allzu Schwieriges versuchen. Ein dritter Speer pfiff durch die Luft; er hätte beinahe den Anführer der Krieger von hinten durchbohrt. Der Anführer heulte vor Wut auf und unterbrach seine ungezügelte Attacke. Er war nahe genug, daß ich die Wut in seinen wasserblauen Augen sehen konnte.
    Verärgert wandte er sich um, um seine Männer über eine angemessene Speerwerftechnik zu belehren. Ebenezum winkte mir von seinem Baum aus zu, endlich weiterzumachen. Es sollte also ein einfacher Zauberspruch werden. Ich entschied mich für eine kleine Erdbewegung, ein gähnendes Loch,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher