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Die Zeitreisen des Zacharias Jones (Flucht aus dem Mittelalter) (German Edition)

Die Zeitreisen des Zacharias Jones (Flucht aus dem Mittelalter) (German Edition)

Titel: Die Zeitreisen des Zacharias Jones (Flucht aus dem Mittelalter) (German Edition)
Autoren: Tery Mitfeld
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Die Tochter der Heilerin
    Ihr Herz schlug schnell und noch immer spürte sie eine seltsame, atemlose Furcht. Es musste ein böser Traum gewesen sein, der sie geweckt hatte. Hanna war froh, dass der Nachtmahr keine Gewalt mehr über sie hatte. Ihr kleiner Bruder neben ihr murmelte etwas im Schlaf, das sie nicht verstand, und wühlte sich noch tiefer in das klamme Stroh. Sie schlug die löchrige Decke beiseite, setzte sich auf und rieb sich die Augen.
    Wie immer während der kalten Jahreszeit war sie schon mit Einbruch der Dunkelheit zu Bett gegangen. Ein Blick auf das Feuer zeigte ihr, dass sie noch nicht lange geschlafen haben konnte. Die Flammen in der aus Lehm geformten Kochstelle flackerten nur noch schwach, doch war das Feuer noch nicht völlig niedergebrannt.
    Der kraftlose rötliche Schein reichte nicht aus, um jeden Winkel der niedrigen Hütte zu erhellen. Fast schwarz erschienen die Wände, gezimmert aus roh gehauenen, dunklen Holzbalken. Nur in der Nähe der Tür war in Mannshöhe eine rechteckige Lichtöffnung ausgespart, die aber jetzt im Winter mit einem Holzgitter aus Weidengeflecht notdürftig verschlossen war.
    Hanna strich sich die langen, schwarzen Haare hinter die Ohren und stand auf. Der Boden aus festgestampfter Erde unter ihren Füßen war eiskalt. Ob Mutter schon zurück war und sich schlafen gelegt hatte? Sie ging hinüber zu dem niedrigen Bett aus ungeschliffenen Bohlen an der gegenüberliegenden Hüttenwand. Es war leer.
    Der Wind ließ sie aufhorchen. Er war stärker geworden und rüttelte kräftig an der schmalen Holztür, die schief an ihren Lederriemen hing. Eiserne Türangeln konnte sich im Dorf niemand leisten, doch auch die Riemen erfüllten ihren Zweck. Durch das handgroße Loch im Dach direkt über der Feuerstelle, das als Rauchfang diente, wirbelten ein paar vereinzelte Schneeflocken hinein. Ein kalter Windstoß folgte ihnen. Sie fröstelte trotz des wollenen Leibrockes, der ihr fast bis zu den Knöcheln reichte und den sie unter der Kleidung auch tagsüber trug.
    Bald würde das Feuer völlig niedergebrannt sein. Sie nahm ein Holzscheit von dem kleinen Stapel an der Feuerstelle und legte ihn in die Glut. Dann kniete sie sich auf den Boden und blies in die rot glühe nde Asche, bis eine kleine, gelbe Flamme an der Seite des Scheites empor leckte und hüpfend und flackernd, als ob sie sich über die neue Nahrung freute, nach und nach von dem ganzen Holzstück Besitz ergriff.
    Wohlige Wärme verbreitete sich um die Kochstelle, und sie beeilte sich, die nackten Füße in die Nähe des Feuers zu strecken. Es wurde etwas heller in der Hütte und sie schaute zu Arne hinüber, der sich mitsamt der Decke so tief in das Stroh hineingewühlt hatte, dass nur noch seine dunkelblonden Haare zu sehen waren. Sie beneidete ihren kleinen Bruder um seinen sorglosen Schlaf. Aber sie wusste, sie durfte nicht ungerecht sein, Arne war schließlich noch ein Kind, gerade halb so alt wie sie selbst. Sie dagegen hatte schon ihren zwölften Sommer erlebt und war damit so gut wie erwachsen.
    Sie gähnte. Morgen wollte sie in aller Frühe aufstehen, um im Wald mit der Steinschleuder Kaninchen zu jagen. Es wäre besser, sich wieder hinzulegen und weiterzuschlafen. Aber dann entschied sie sich, doch noch zu warten. Der Weg von Sonningen war weit und Mutter würde erschöpft sein und schrecklich durchgefroren, wenn sie endlich ankam. Die Wärme des Feuers würde ihr gut tun.
    Wie schon die Großmutter, die Hanna nie kennen gelernt hatte, war Mutter eine Heilerin, eine Weise Frau, wie die Leute sagten. Sie half den Bewohnerinnen des Dorfes, ihre Kinder zur Welt zu bringen, sie linderte Schmerzen mit selbst gerührten, durch Leinen gepresste Salben und mit Kräuterumschlägen, deren Zutaten sie im Schein des Mondes auf verborgenen Waldlichtungen sammelte, und auch ihre bitter schmeckenden Tränke hatten schon so manches Leben gerettet. Sie wurde bei Zahnschmerzen, Knochenbrüchen und offenen Geschwüren gerufen, verabreichte Rabeneier und Wieselblut gegen Lähmung und Schlaganfall und Springwurz zur inneren Reinigung des Leibes. Zudem kannte sie auch die geheimnisvollen Kräfte des Bernsteins und wusste aus der Farbe des Urins der Kranken allerlei Gebrechen zu deuten.
    Nach Vaters Tod hatte Mutter die kleine Familie allein durchgebracht. Nie ließen die Menschen die Heilerin gehen ohne eine Handvoll Roggen oder Hafer oder ein Stück Brot. Manchmal gab es auch einen Krug Milch, getrocknete Bohnen oder Erbsen und ganz
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