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Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)

Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)

Titel: Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
Autoren: Philipp Mattheis
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Zöpfe flechten – ohne der Tatsache, dass sie danach wie ein Albino-Rastafari zu Karneval aussahen, Bedeutung beizumessen. Weiter hinten war es noch immer möglich, sehr billig die neueste Version von Photoshop und Microsoft Office sowie das aktuelle Gorillaz-Album zu kaufen. Nebenan fälschte jemand Stundentenausweise und die Bahncard50. Ständig dröhnte von einem der zahlreichen CD-Stände, von denen viele mittlerweile auch MP3s anboten, mittelmäßige bis schlechte Musik. Noch immer saßen Engländer vor ihrem 24. Singha-Bier in irgendeiner Bar, sahen sich The Beach in einer abartigen Lautstärke an und warteten auf ihren Rückflug. Winzige Frauen in der traditionellen Tracht irgendeiner Minderheit aus dem Norden versuchten Ethnologiestudentinnen aus München Schmuck oder Holzfrösche anzudrehen, mit denen man Musik machen konnte, wenn man einen Stab über den Rücken des Frosches rieb. Noch immer sah ich niemanden, der den kleinen Minderheitenfrauen so etwas abkaufte.
    Dann aber entdeckte ich etwas Neues: Statt der zugegeben arg spartanischen Absteigen, deren Zimmer nicht mehr als das wirklich Notwendige boten (eine Matratze mit drei untergelegten Sperrholzplatten), hatten von Gier und Geiz verblendete Menschen große Hotels errichtet, in deren Zimmern Fernseher standen. Und auf den Dächern gab es sogar Swimmingpools!
    Das Grauen aber steigerte sich noch weiter. Es manifestierte sich in Form eines golden leuchtenden Buchstaben, dem sicheren Indiz, am Eingang zur Hölle angelangt zu sein. Auf der Straße hatte ein McDonald’s eröffnet. Ich interpretierte dies als Fanal des in Kürze bevorstehenden Weltuntergangs und schlug innerlich die Hände über dem Kopf zusammen. Wo immer eine Fastfoodkette Wurzeln schlägt, ist das Ende nahe: Der Trampelpfad, auf dem sich die Reisenden nach exotischen Strapazen über ein westliches Konsensgericht wie einen Bananenpfannkuchen kindisch freuen konnten, war endgültig zur Autobahn geworden, auf dem derartige «Andenken» an die Heimat nicht mehr Anlass zur Freude gaben, da sie so gegenwärtig wie daheim geworden waren. Wozu noch wegfahren, wenn es in der Fremde McDonald’s gibt! Wenn das so weiterging, würden bald nur noch Myanmar, Nordkorea und irgendwelche abgeschotteten Staaten in Zentralafrika als Reiseländer in Frage kommen!
    Nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte, ging ich in die Parallelstraße der Khaosan, um den alten Thai zu besuchen, mit dem ich damals Abend für Abend Schach gespielt hatte. Er war nicht mehr da. Da, wo er gesessen hatte, stand jetzt ein klimatisierter Seven-Eleven-Supermarkt. Vertrieben. Verscheucht. Weggentrifiziert.
    Ich verfluchte den Kapitalismus und begann die westliche Welt zu hassen, die mit ihrem Fortschrittswahn ein Paradies nach dem anderen zerstörte. Ich verspürte in mir den starken Wunsch, mich mit diesem ausgebeuteten, vom Kommerz seiner Tradition beraubten Volk zu solidarisieren. Wo war all die Natürlichkeit hin? Das unschuldige Thai-Lächeln?
    «Terrible! Isn’t it?», fragte ich den Bananenpfannkuchenverkäufer am Eingang der Khaosan Road und deutete auf den McDonald’s.
    «Ohhhh!», sagte der. «Business very goooood!»
    Ich ging zurück zu meinem Hotel und setzte mich in die Lobby, auf einen der Stühle mit den lilafarbenen Kissen und den kleinen Elefanten. Wie damals wollte ich ganz zufällig interessante Menschen treffen. Verruchte Globetrotter, deren Falten im Gesicht vor Lebensweisheit Bände sprachen, Mathematikprofessoren aus Madagaskar, Hängengebliebene, Yogafreaks, Hardcoretraveller, die seit vier Jahren unterwegs waren, Dandys oder deren Nachfahren, Bettelmönche, Weltreisende mit Orientierungsproblemen, bekiffte Israelis mit Fußinfektionen, Holländer, die auf Bäumen lebten, Tschechen, die mit zwei T-Shirts im Gepäck die Welt bereisten, einsame Wölfe mit Sparzwang, Englischlehrer mit Vorliebe für Semiprostituierte, Verrückte, Inspirierende, Instantfreunde – Menschen eben, die man nicht auf den Straßen Deutschlands trifft.
    In diesem Moment kam ein dicklicher Junge mit Poloshirt und einer thailändischen Sackhose auf mich zugewankt. Die Hose spannte, der Junge versuchte zur Musik von DJ Thai-G zu tanzen. Er stolperte, fiel hin. Ich hörte eine Gruppe von Jungs lachen. Der Dicke rappelte sich wieder auf. Dann kotzte er in eine der Pflanzen, die auf dem Elefanten mit den bunten Tüchern standen. Die Gruppe applaudierte.
    «Sauber, Manni», sagte ein Rothaariger mit einem Beerlao-T-Shirt auf
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