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Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)

Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)

Titel: Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
Autoren: Philipp Mattheis
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wirkst reifer, irgendwie erwachsener. Dein Vater fragt: «Wie war es denn in Mexiko?» Du antwortest: «Schön», und erzählst von den Pyramiden der Azteken. Er nickt und fragt mit vollem Mund: «Und was willst du studieren?»
    In den nächsten Tagen triffst du all die Menschen wieder, die du während deiner Reise so sehr vermisst hast, die du dir in den Momenten der Einsamkeit herbeigewünscht hast und denen du E-Mail für E-Mail geschrieben hast. Du zeigst ihnen Fotos, und nach dem zwanzigsten Strandbild siehst du, wie sich dein bester Freund ein Gähnen verkneift. Er erzählt von dem Mädchen, das er am Samstagabend kennengelernt hat und dass er eigentlich schon viel zu betrunken gewesen sei. «Die Franzi», sagt er noch, «ist jetzt übrigens mit dem Max zusammen.» Du nickst verständnislos, und dir wird klar: Es hat sich nichts geändert, seitdem du fortgegangen bist.
    Auf der Straße sprichst du ein fremdes Mädchen an, doch plötzlich fällt dir auf, dass der gewohnte Dreiklang «Where are you from? How long are you travelling for? Where do you go next?» nicht mehr funktioniert. Sie schüttelt den Kopf und geht weiter. In diesem Land ist das Ansprechen fremder Leute entweder auf ein akutes sexuelles Interesse zurückzuführen oder aber ein Zeichen chronischer Einsamkeit. Und wer keine Freunde hat, muss irgendwie sonderbar sein. Du möchtest ihnen erklären, dass alles ganz anders sein kann – lockerer, ungezwungener, schöner. Möchtest ihnen nahebringen, dass Leben viel mehr ist als Diplomarbeit, Arbeit und Beziehung, dass dieses hektische Ich-muss-so-schnell-wie-möglich-meinen-Platz-in-dieser-Gesellschaft-Finden ziemlich überspannt ist, dass es 95 Prozent der Menschen auf dieser Welt darum geht, genug zu essen aufzutreiben, und nicht darum, einen LCD-Fernseher zu haben. Du willst ihnen sagen, dass das gute Leben einfach, billig und schön ist. Leider hast du gar nichts kapiert. Denn du kannst die Regeln nicht ändern, du musst sie verinnerlichen, um sie an den richtigen Stellen brechen zu können.
    Sechs Wochen bist du nun schon wieder hier. Du vermisst die Sonne, die Leichtigkeit, das Neue. Deine Freunde verdrehen die Augen, wenn du bei jeder Banane erwähnst, dass die Bananen auf Bali ganz anders schmecken als die, die man hier bekommt. Bei jedem Telefonat fragen dich deine Eltern: «Wann fängst du an zu studieren?» – «Wenn ich Lust habe», antwortest du, schließlich hast du ein Jahr lang nur getan, wozu du Lust hattest, und so warst du glücklich. Soll das jetzt nicht mehr gelten? Warum muss auf einmal alles hart sein, warum muss man sich anstrengen, um irgendwo hinzukommen, wenn es doch schön ist, wo man gerade ist?
    «Und was machst du jetzt?», fragen auch deine Freunde. Sie studieren seit zwei Semestern Jura, Soziologie und Maschinenbau oder bewerben sich auf Film- und Journalistenschulen.
    «Erst mal nichts», sagst du, «muss man denn immer etwas machen?»
    Ja, man muss. Weil es eben nicht der Normalzustand ist, ein Jahr lang in Dritte-Welt-Ländern von 20 Euro am Tag zu leben. Weil kein Mensch glücklich wird ohne Herausforderungen. Weil niemand frei ist, der auf Dauer in einer Hängematte liegt und Gras raucht. Aber das weißt du in diesem Moment noch nicht.
    Monatelang bist du immer dann, wenn du gelangweilt warst, weitergereist zum nächsten Ort. So lange, bis es eben wieder lustig war. Jetzt, wieder daheim, ist deine Frustrationstoleranz knapp über null, und jedes Mal, wenn eine Kleinigkeit in deinem Leben schiefläuft, träumst du dich nach Indien oder Mexiko. Wieder und wieder schaust du dir die Fotos von lachenden Menschen vor Wasserfällen, Stränden und Vulkanen an und glaubst, dort sei alles besser gewesen. Du verklärst. Du vergisst, dass es ein Privileg sehr weniger Menschen ist, aus der reichen Welt in die arme zu reisen, nur um sich ein bisschen selbst zu finden.
    Es dauert Monate, manchmal Jahre, aber nach und nach kriegt dich diese Welt wieder. Erst widerwillig, dann mit verhaltener Neugier beginnst du ein Studium. Es läuft, du findest dich wieder ein, du funktionierst. Jahre später rauchst du draußen vor einer Bar eine Zigarette. Ein Fremder spricht dich an, erzählt dir, dass er gerade aus Australien zurückgekehrt ist. Ein Jahr nur Surfen und Sonne, sagt er, und hier sei ja alles anders. Du nickst und fragst dich, warum dir der Typ das unbedingt erzählen muss. Ist er schwul, hat er keine Freunde, mit denen er reden kann? Was stimmt bloß nicht mit ihm?

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