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Baltasar Senner 03 - Busspredigt

Baltasar Senner 03 - Busspredigt

Titel: Baltasar Senner 03 - Busspredigt
Autoren: Wolf Schreiner
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Geräusch, als das Gefäß Johann Helfers Schläfe traf. Die Flasche zerbarst. Später erinnerte Baltasar sich daran, dass ihm das Muster in dem Glas aufgefallen war, Sprengsel in Gold und Schwarz, durchsetzt mit kleinen schwarzen Quadraten.
    Johann Helfer lag reglos am Boden. Blut rann von seiner Schläfe hinunter.
    Irgendwie fand Baltasar den Weg nach draußen.
    »Da bist du ja endlich«, rief Philipp Vallerot. »Ich dachte schon, ich bin zu spät dran.«
    »Gott sei Dank, du bist mir doch gefolgt«, sagte Baltasar mit schwacher Stimme. »Ich hatte es dir zwar verboten, aber ich bin sehr froh, dass du dich nicht daran gehalten hast. Da drinnen liegt Johann Helfer. Er ist bewusstlos.«
    »Mach dir keine Gedanken. Warte hier. Ich seh mal nach und rufe die Polizei.«
    Philipp verschwand im Gebäude.
    Baltasar schleppte sich zum Auto und ließ sich auf den Sitz fallen. Das alles hatte ihn weitaus mehr beansprucht, als er sich eingestehen wollte.
    Irgendwann kam Philipp zurück.
    »Schlechte Nachrichten. In der Werkstatt ist niemand. Johann Helfer ist verschwunden.«
    42
    E r hatte die Sorte Maydi aus Somalia genommen und die Mischung mit Weihrauch aus dem Bayerischen Wald, dem Harz von Fichten, angereichert. Ein kräftiger Duft entströmte dem Turibulum, das der Ministrant neben ihm schwenkte. Baltasar inhalierte unauffällig, eine Prise seiner Spezialzutat wäre jetzt ideal, aber das konnte er den Kirchenbesuchern nicht zumuten.
    Die Bänke waren gefüllt, es hatte sich herumgesprochen, dass der Fall Anton Graf abgeschlossen war. Wahrscheinlich erwarteten sie von seiner heutigen Predigt saftige Details über den Mörder und seine Motive und wie er zur Strecke gebracht worden war – ein willkommener Stoff für das nächste Schwätzchen beim Einkauf.
    Baltasar hatte Glück gehabt, nicht selbst verletzt worden zu sein, dafür dankte er Gott. Im Nachhinein kam es ihm leichtsinnig vor, wie er den Täter herausgefordert hatte. Aber was hätte er sonst tun können, um ihn aus der Reserve zu locken?
    Jedenfalls wollte er diese Messe als Bußgottesdienst gestalten. Er stimmte ein passendes Lied an:
    Herr, willst du ins Gerichte gehen,
    der du unendlich heilig bist,
    Herr, wer wird dann vor dir bestehen,
    wenn er auch sonst unsträflich ist?
    Dein Auge, das nicht fehlen kann,
    trifft überall noch Fehler an.
    Baltasar erhob die Hände zum Gebet und hielt sie einen Moment in der Luft – eine Methode, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen. Bürgermeister Wohlrab und seine Frau saßen wie immer in der ersten Reihe, daneben Sparkassendirektor Alexander Trumpisch mit Gattin. In der Mitte konnte er Barbara Spirkl ausmachen, die allein schon durch ihre teuer aussehende Kleidung auffiel. Wolfram Dix und sein Assistent Oliver Mirwald hatten ganz hinten Platz genommen. Nur Teresa und ihr Besuch waren nirgendwo zu sehen.
    Und – das versetzte ihm einen Stich – auch Victoria war nicht gekommen.
    Sein Blick wanderte zur Putte über dem Eingangsportal. Wäre es nicht tatsächlich eine gute Idee, dort eine Überwachungskamera zu montieren? Doch irgendwie ging ihm diese Vorstellung gegen den Strich. Eine Kirche war ein offenes Haus, das jeder besuchen konnte, ohne sich ständig beobachtet fühlen zu müssen. Und der Allmächtige sah sowieso alles.
    Und ach, mir wird die Welt zu enge,
    wenn des Gesetzes Donner schlägt
    und bei der Übertretung Menge
    sich ängstlich mein Gewissen regt,
    das dich als einen Richter scheut,
    der Rechnung heischt und Strafe droht.
    Er stieg auf die Kanzel. Eine Bußpredigt hatte er sich vorgenommen. Damit wollte er die Menschen aufrütteln, vor allem auch sich selbst ermahnen.
    Er hatte in seinem Hochmut vieles falsch eingeschätzt. Sein Nachbar war nicht der liebe, freundliche Mensch gewesen, sondern jemand, der seine Vergangenheit und seine wahren Motive verborgen hatte. Jemand, der sich auf Kosten anderer bereichert und der dem Unternehmen illegal ein Vermögen entzogen hatte. Und der seinen späteren Mörder erpresst hatte. Nichts anderes war es gewesen.
    Baltasar sprach über die Fehlbarkeit der Menschen, über den Unterschied zwischen Schein und Sein, über Lügen und Wahrheit, über Schwächen und Fehler jedes Einzelnen und die Notwendigkeit, dafür Buße zu tun und auf die Vergebung und die Gnade des Herrn zu hoffen.
    In deiner Hand steht Tod und Leben,
    du bist es, den man fürchten muss;
    doch, Herr, du kannst und willst vergeben
    aus deiner Gnade Überfluss.
    Dein Wort, das Wort des
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