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Baltasar Senner 03 - Busspredigt

Baltasar Senner 03 - Busspredigt

Titel: Baltasar Senner 03 - Busspredigt
Autoren: Wolf Schreiner
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haben.«
    »Sind Sie jetzt auch noch Hellseher?«
    »Nein. Es war nicht schwer herauszufinden. Sie würden nicht so dumm sein und das Diebesgut …«
    »Diebesgut? Was reden Sie?«
    »… und die Stücke bei sich daheim aufbewahren. Das wäre viel zu gefährlich. Natürlich könnten Sie sie irgendwo vergraben. Aber dazu fehlte Ihnen nach dem Einbruch die Zeit. Und deshalb bin ich davon überzeugt, dass Sie die Beute dort versteckt haben, wo sie garantiert niemand suchen würde.«
    »Sie sind ein verdammter Besserwisser!«
    »Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich werde jetzt zu diesem Ort fahren, und ich hoffe, dass Sie ebenfalls kommen. Ich verspreche Ihnen, dass ich allein da sein werde. Und damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich werde dort nach den Kunstgegenständen suchen. Wenn ich sie finde, übergebe ich sie der Polizei.«
    *
    Das Licht der Straßenlaternen reichte nicht bis in den Hinterhof. Baltasar ließ die Taschenlampe dennoch lieber aus. Wie ein Einbrecher kam er sich vor, der er ja gewissermaßen auch war, schließlich wollte er sich unbefugt Zutritt zu dem Gebäude verschaffen. Er tastete in die Mauernische auf der linken Seite und atmete auf – der Schlüssel war noch an seinem Platz. Er sperrte auf und öffnete die Tür zentimeterweise, um keinen Lärm zu machen.
    Es dauerte ein wenig, bis er sich an die Dunkelheit im Gang gewöhnt hatte. Seine Erinnerung ließ ihn nicht im Stich, er fand den Weg zur Werkstatt auf Anhieb. Vor der Tür blieb er einen Moment stehen und lauschte, doch es blieb still. Totenstill. Nur ein Wummern störte diese Ruhe. Es kam von dem Schmelzofen. Er betrat den Raum, die Wärme schlug ihm entgegen. Die Stahltür des Ofens stand offen, die glühende Masse im Innern warf gelbe und rote Lichtflecken in den Raum.
    Es war zumindest so hell, dass Baltasar sich ohne Probleme orientieren konnte. Er suchte die Regale mit den Werkstücken nach ungewöhnlichen Objekten ab, doch alles, was er fand, waren Übungsarbeiten von Anfängern.
    Sein nächstes Ziel war die Gruft. Sie war vollgestopft mit Vasen, Tellern und Skulpturen. Baltasar räumte einzelne Teile heraus, stellte sie auf einer Werkbank ab und suchte in den verborgenen Winkeln weiter.
    »Sie werden nichts finden, Herr Senner. Sie sind zu spät dran!«
    Eine Stimme, scharf und klar wie Kristall.
    Baltasar drehte sich um.
    Vor dem Schmelzofen stand Louis Manrique.
    »Herr Manrique, oder soll ich sagen Herr Helfer? Schön, dass Sie doch hergefunden haben.« Baltasar rührte sich nicht vom Fleck.
    »Schön ist das falsche Wort in dieser Situation«, sagte der Künstler. »Ich habe Sie beobachtet, Sie sind tatsächlich allein gekommen.«
    »Das war so ausgemacht. Ich halte mich an meine Versprechen.«
    »Gut, gut, das höre ich gern. Ihr Anruf hat mich etwas nervös gemacht, das gebe ich zu.«
    »Sie haben ein riskantes Spiel begonnen, glauben Sie ernsthaft, damit haben Sie immer Glück?«
    »Wie sind Sie darauf gekommen, die Gegenstände könnten hier in der Schule sein? Das interessiert mich wirklich, die pure Neugierde.«
    »Der Kronleuchter in Antons Haus hat mich darauf gebracht.«
    »Der Kronleuchter?« Der Künstler schüttelte den Kopf. »Wirklich?«
    »Genauer gesagt, die Umstände. Niemand würde einen so sperrigen und auffälligen Kronleuchter mitnehmen. Das ist klar. Dann ist mir aber aufgefallen, dass an dem Einbruch etwas nicht stimmte: Warum ließ der Dieb ausgerechnet die kleinen Gegenstände zurück im Beichtstuhl? Gegenstände, die überdies die wertvollsten Stücke im Haus waren? Stattdessen waren lediglich die Glasskulpturen aus der Vitrine im ersten Stock verschwunden, schwere, unhandliche Stücke. Ich als Einbrecher hätte diese Objekte jedenfalls zurückgelassen und mich dafür auf die Gemälde konzentriert.«
    »Sie sind aber kein Einbrecher.«
    »Das ist richtig. Warum handelte der Dieb so unlogisch?, fragte ich mich. Darauf gab es nur eine Antwort: Er hatte es von vornherein nur auf die Glasskulpturen abgesehen, auf sonst nichts. Der Diebstahl der Gemälde diente nur zur Tarnung. Sie waren Ballast, deshalb ließen Sie sie in der Kirche zurück. Sie hatten nie vor, diesen Teil der Beute später zu holen.«
    »Was für eine blühende Phantasie Sie haben, Hochwürden. Sie sollten auf Märchenerzähler umschulen. Warum sollte ich es gerade auf die Glaskunst abgesehen haben?«
    »Ganz einfach: weil es Ihre Werke waren. Unikate, entstanden in der Blütezeit Ihrer Schaffensperiode, wahrscheinlich sogar die
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