Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Baltasar Senner 03 - Busspredigt

Baltasar Senner 03 - Busspredigt

Titel: Baltasar Senner 03 - Busspredigt
Autoren: Wolf Schreiner
Vom Netzwerk:
Holte er einen ab? Wo war das Fegefeuer, das auf dem Weg zur Ewigkeit wartete? Wie lange dauerte die Wiederauferstehung, bis man endlich vor seinen Schöpfer treten durfte?
    Das Ableben hatte sich Baltasar anders vorgestellt. Irgendwie dramatischer, ein großer Abgang, wie bei einer Wagner-Oper. Hatte er, Baltasar Senner, ein Mann in den besten Jahren, katholischer Priester von Beruf, nicht eine Sonderbehandlung verdient? Sozusagen ein Freiticket für eine Erste-Klasse-Reise, all-inclusive ins Paradies, eine Fünf-Sterne-Unterbringung mit Whirlpool? Konnte es wirklich sein, dass der liebe Gott seine Angestellten so schäbig behandelte? Das wäre keine Reklame für die Berufswahl Geistlicher. Kein Wunder, dass die Menschen der Kirche abhandenkamen.
    Das Pochen wurde stärker. Ein Lichtstrahl traf die Höhle, als ob jemand einen Scheinwerfer auf ihn gerichtet hätte. Licht, gleißend und blendend. Ein Nachtkästchen materialisierte sich, ein Effekt wie beim Beamen in »Raumschiff Enterprise«. War er von Außerirdischen entführt worden? War der Allmächtige ein Alien?
    »Herr Senner? Können Sie mich hören?«
    Eine Männerstimme, die ihm bekannt vorkam.
    »Aah, er schlagen die Augen auf.«
    Eine Frau mit polnischem Akzent. Ihre Stimme war unverkennbar: Es war seine Haushälterin Teresa Kaminski.
    Nun gab es keinen Zweifel mehr, er befand sich in seinem Schlafzimmer. Er lag auf seinem Bett. Er war in Sicherheit.
    »Was … was ist passiert?«
    »Du warst bewusstlos, mein lieber Herr Senner.« Die Stimme gehörte zu Anton Graf, einem Nachbarn und Freund, der oft bei Kleinigkeiten aushalf. Er hatte ein schmales Gesicht, das Haar war auf altmodische Weise zur Seite gekämmt. Seine Kleidung bestand aus einem Blaumann und Arbeitsschuhen.
    »Ich werkelte gerade im Schuppen herum, als ich den Schlag hörte«, berichtete er. »Als ob eine Granate in den Kirchturm eingeschlagen hätte, und eine enorme Staubwolke quoll aus dem Dach. Und ein Lärm, wie wenn eine Glocke zu Boden gekracht wäre.«
    »Stimmt, ich hab’s auch gehört, es war das Jüngste Gericht.« Teresa bekreuzigte sich.
    Baltasar befühlte seinen Kopf. Ein Verband war wie ein Stirnband um seinen Schädel gewickelt. Auf der Schulter klebte eine Kompresse. Seine Schläfe schmerzte. »Und? Weiter? Wie bin ich hierhergelangt?«
    »Ich bin natürlich sofort rausgestürmt und hab mir das Ganze angesehen. Frau Kaminski kam ebenfalls gleich hinaus. Wir riefen nach dir, und nachdem niemand geantwortet hatte, sah Frau Kaminski im Haus nach.«
    »Dann ich vorschlagen, in der Kirche zu suchen«, sagte sie. »Aber auch dort war niemand.«
    »Deshalb bin ich auf den Turm gestiegen«, fuhr Anton Graf fort, »um den Schaden zu begutachten. Dort oben habe ich dich gefunden. Zuerst habe ich geglaubt, du seist tot, so reglos wie du da auf dem Boden gelegen hast.«
    »Ich … ich … dachte …« Baltasar richtete sich auf. »Ich weiß, es klingt albern … aber ich habe geglaubt, jemand hätte mich niedergeschlagen. Das war das Letzte, an das ich mich erinnern kann. Danach wurde mir schwarz vor Augen. Wenigstens bin ich offensichtlich nicht tot.«
    »Du hast tatsächlich einen Schlag bekommen – aber von einem herabstürzenden Trägerbalken. Es war Glück, dass er dich nicht erschlagen hat! Das sind massive Dinger.«
    »Und die Jungfrau Maria hat Ihnen einen Schutzengel geschickt.« In Teresas Stimme schwang Pathos. »Herr Graf hat Ihnen das Leben gerettet.«
    »Na, na, so schlimm war’s nicht.« Anton Graf schüttelte den Kopf. »Dein Gesicht war blutüberströmt, da hab ich zuerst ein Papiertaschentuch auf die Wunde gedrückt, um die Blutung zu stoppen. Dann räumte ich die Balken beiseite und zog dich darunter hervor. Der anstrengendste Job war, dich zur Treppe zu bugsieren und nach unten zu tragen. Frau Kaminski hat mir geholfen. Gott sei Dank hast du nicht zu viele Pfunde auf den Rippen, sonst … So ein Körper kann ganz schön schwer sein, weißt du … Da zählt jedes Gramm, vor allem, wen man es vom Kirchturm hinunterschleppen muss.«
    »Danke, da hab ich ja einen Retter gehabt.« Baltasar lächelte, auch wenn es schmerzte.
    »Wir haben Sie ins Schlafzimmer gebracht, die Wunden gereinigt und notdürftig verbunden. Der Arzt müsste bald eintreffen, er hatte noch einen anderen Hausbesuch zu machen.« Teresa schüttelte das Kissen auf.
    »Und wie sieht’s oben aus? Die Glocke …?«
    »Ein einziges Chaos, glaub mir. Ich habe es mir in der Hektik nicht genauer angeschaut.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher