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Baltasar Senner 03 - Busspredigt

Baltasar Senner 03 - Busspredigt

Titel: Baltasar Senner 03 - Busspredigt
Autoren: Wolf Schreiner
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gezogen, er hatte immer allein gelebt. Er hatte Andeutungen gemacht über seine Vergangenheit als Unternehmer, aber es war ihm nie mehr zu entlocken, so sehr Baltasar auch nachgebohrt hatte. Sie waren regelmäßig auf ein Glas Wein zusammengesessen, hatten über den Zaun hinweg oder nach dem Gottesdienst miteinander geplaudert. Aber die Unterhaltung war nie über Belangloses hinausgegangen – Neuigkeiten aus der Gemeinde, Erfolge seiner Gartenarbeit oder die Ergebnisse regionaler Fußballspiele.
    Im Nachhinein fiel Baltasar auf, wie sehr Anton Graf persönliche Themen gemieden und die Idee einer Beichte immer abgelehnt hatte, sosehr er sonst ein frommer Kirchgänger war. Was also konnte er der Polizei berichten? Er beschränkte sich auf die wenigen Fakten, die er wusste, und wies darauf hin, dass Anton Graf es eilig gehabt hatte, da er einen Termin wahrnehmen musste.
    »Nicht gerade viel«, sagte Mirwald. »Wir stehen demnach noch ganz am Anfang. Und von Feinden haben Sie nichts mitbekommen?«
    »Nein, Herr Graf wirkte alles in allem recht ausgeglichen, ich hatte nicht den Eindruck, dass ihn etwas bedrückte. Aber dazu kannte ich ihn nicht gut genug. Denn wie man sieht, hatte er Feinde – so elend, in dieser Ecke sterben zu müssen.«
    »Er ist nicht hinter dem Baum gestorben.« Dix deutete auf verschiedene Stellen im Gras. »Dort haben wir Blut gefunden. Die Spuren ziehen sich bis zu der Parkbank. Kommen Sie mit.«
    Sie gingen zu der Bank, die Beamte des Ermittlungsteams untersuchten. Ein dunkler Fleck hatte das Holz verfärbt.
    »Wir glauben, der Mord hat hier stattgefunden«, sagte Mirwald. »Das Opfer war nicht sofort tot, sondern schleppte sich noch einige Meter, bis es bei dem Stamm zusammenbrach.«
    »Warum hat der Mörder nicht … nicht nachgesetzt und sein schreckliches Werk zu Ende gebracht?«
    »Darüber wissen wir noch nichts. Aber sehen Sie sich um, Hochwürden.« Dix drehte sich einmal um die eigene Achse. »Das ist eine belebte Gegend, die Straße und Häuser auf der einen Seite, der Fluss auf der anderen Seite und ständig Menschen im Stadtpark. Der Täter hatte wohl Angst, entdeckt zu werden, und hat sich deshalb gleich davongemacht. Übrigens käme auch Totschlag in Frage, wir kennen die Beweggründe des Mannes nicht.«
    »Wie kommen Sie darauf, dass es ein Mann war, Herr Kommissar?«
    »Nun, jemandem aus nächster Nähe einen Glassplitter in die Brust zu rammen, dazu gehört schon eine gewisse Kaltblütigkeit und Kraft«, sagte Mirwald. »Aber Sie haben ausnahmsweise recht, Herr Senner. Es könnte auch eine Frau gewesen sein. Mit der nötigen Entschlossenheit …«
    Die Bank, auf der Anton Graf gesessen hatte, war eine von mehreren, die rund um einen Brunnen platziert worden waren. Steine bildeten ein kreisförmiges Becken, in der Mitte erhoben sich mehrere große Findlinge, von denen Wasser plätscherte. Darauf standen Bronzefiguren: ein Schäfer mit Stab, den Umhang fest zugezogen, neben ihm eine Ziege und zwei Rinder. Laut einer Inschrift trug das Ensemble den Titel »Hirtenbrunnen«, gestiftet von der Waldvereinssektion Zwiesel.
    Leider hat dich der gute Hirte nicht beschützen können, lieber Anton, dachte Baltasar. Doch wer erwartete bei dieser Idylle schon ein Gewaltverbrechen?
    »Hat sich Herr Graf gar nicht gewehrt?« Er wandte sich an Dix. »Wenn vor mir jemand mit einer Mordwaffe stehen würde, dann bliebe ich jedenfalls nicht so ruhig auf der Bank sitzen.«
    »Das wird die Obduktion der Leiche zeigen. Auf den Händen finden sich Spuren von Verletzungen, aber woher die stammen, muss uns der Pathologe sagen.« Dix zog ihn von dem Brunnen weg. »Sie haben uns sehr geholfen, Hochwürden. Ihre Aussage müssen wir noch protokollieren. Es wäre nett, wenn Sie in den nächsten Tagen zu uns nach Passau kommen könnten.«
    »Was mein Kollege eigentlich sagen wollte, Herr Senner, ist, Sie stehen uns hier im Weg.« Mirwald machte eine Geste, als wollte er Fliegen verscheuchen. »Das hier ist eine Arbeit für Profis. Kümmern Sie sich lieber um Ihre Bedürftigen zu Hause, und bereiten Sie meinetwegen die Beerdigung vor. Aber lassen Sie uns um Himmels willen unseren Job tun!«
    »Ich könnte doch …«
    »Bloß nicht, bloß nicht!« Mirwald war aufgeschreckt. »Spielen Sie nicht den Privatdetektiv, Herr Senner. Wir wissen schon, was zu tun ist. Dafür sind wir ausgebildet, so wie Sie zum Beten ausgebildet sind. Also tun Sie das, was Sie am besten können – beten Sie für das Seelenheil Ihres
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