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Aufstand der Fischer von St. Barbara

Aufstand der Fischer von St. Barbara

Titel: Aufstand der Fischer von St. Barbara
Autoren: Anna Seghers
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ihm zuriefen, dann konnte er auflachen. Später, wenn die meisten gegangen waren – nur einige, die sich gar nicht entschließen konnten, an Land zu gehen, streckten sich über den Tischen –, legte Hull seinen Arm um Andreas' Rücken. Sie hockten beieinander, wie damals im Winter in der Mulde. Hull redete leise auf den Jungen ein. Er redete nicht von der Ausfahrt und nicht von St. Barbara; er erzählte von drüben, sie fuhren miteinander in einen Hafen ein, Sebastian war dagegen winzig und armselig. Hull erzählte schnell und hefig, wie man etwas immer wieder vor sich her sagt, um es nicht zu vergessen. Er merkte wohl, daß Andreas zu müde war, um zuzuhören, aber er redete doch noch weiter.    Andreas fuhr mit dem jungen Bruyk in einem Boot. Das war ein lustiger Bursche, Andreas hatte ihn immer ganz gut leiden mögen. Der wußte solche Witze und Lieder, das gefiel Andreas, der gerne lachte. Der junge Bruyk sagte hinter Andreas' Rükken: „Du, nächste Woche wird ausgefahren, ich, mein Vater und der und der. Mach doch auch mit, da fehlt noch einer." Andreas verstand nicht gleich, er dachte etwas nach. Er machte verrückte Stöße mit den Rudern. Aber er antwortete nichts. Er drehte sich auch nicht herum; auf diese Weise bekam weder der junge Bruyk noch sonst jemand auf der Welt das Gesicht zu sehen, das Andreas bei diesem Vorschlag machte.
    Als Andreas heimkam, trug Marie Kedennek grade die Suppe ab. Die Buben kauten an den Löffeln. Marie Kedennek sagte zu Andreas: „Hast du was mitgebracht?" – Andreas sagte erstaunt: „Was soll ich denn mitgebracht haben?" – Die Buben hatten die Löffel weggelegt, starrten ihn an. Aber Andreas ging an ihnen vorbei an den Korb und tippte mit dem Zeigefinger das Kleine an. Wie er sich umsah, waren alle drei Gesichter nach ihm gedreht, die Augen waren so schwarz wie Löcher. Andreas hatte keine Lust, in so einer Stube zu bleiben. Er lief hinauf. Aber droben war auch nichts los. Er wollte zum Marktplatz, da stieß er an der Ecke bei Nehrs Haus, wo der Weg nach den Dünen abging, auf ein paar Frauen. Die hockten dort und schwatzten. Auch Marie Kedennek war dabei. Andreas wunderte sich. Er wollte schnell vorüber. Da faßte ihn Marie Kedennek am Handgelenk. Andreas runzelte die Stirn und schob sie beiseite, wie er es bei Kedennek gesehen hatte. Marie Kedennek senkte den Kopf, Andreas ging weiter, da rief sie noch einmal: „Andreas!" – Jetzt blieb Andreas stehen. „Hörst du, Andreas, sie fahren am Mittwoch aus", sagte sie, ihre Stimme war ganz dünn, – das kam Andreas entsetzlich vor, wie bei einem Mädchen, vielleicht hatte sie so unter der Decke mit Kedennek gesprochen, – „da fehlt noch einer, da kannst du mit." Andreas stieß ihr mit dem Ellenbogen eins vor die Brust. „Seid Ihr verrückt geworden, Marie Kedennek", erwiderte er. „Geht zum Teufel und verkriecht Euch in seinem Unterrock, Ihr mit Eurem Geplärr." – „Aber die Kinder –", fuhr Marie Kedennek mit ihrer dummen, dünnen Mädchenstimme fort. „Was geht denn das mich an", schrie Andreas, „die haben noch immer länger gelebt als unser Kleines daheim." Er ging. Marie Kedennek fing auf einmal zu weinen an. „Hört ihr", weinte sie, „er geht nicht mit, das hab ich gleich gesagt, daß er nicht mitgeht." Andreas drehte sich nochmal um. Er beachtete die Kedennek nicht, sondern fragte die Weiber: „Am Mittwoch wird gefahren?" – „Ja!" – „Die ,Marie Farère'?" – „Ja." Andreas ging. Am Abend kam er zeitig nach Hause. Er holte Kedenneks Zeug heraus und fing an, daran zu flicken. Marie Kedennek setzte sich dazu und half. Sie sprachen nichts miteinander. Andreas ging noch einmal ins Büro, um sich einen Vorschuß zu holen. Er brachte ihn heim und bekam noch einmal am Abend eine Nase voll ordentlichen Fettgeruch.
       Bei der Abfahrt waren Soldaten aufgestellt, aber sie hatten nichts zu bewachen. Kein Mensch war gekommen, nicht mal die Angehörigen, weil sie sich vor den Einheimischen fürchteten. Die Leute von St. Barbara behandelten das Schiff, als ob es nichts mit ihnen zu tun hätte, sie beachteten es nicht und sprachen nicht darüber. Wenn sie an diesem Tage unterwegs auf Kinder der Abgefahrenen stießen, beachteten sie die so wenig, als ob sie über junge Katzen gestolpert wären.
    Die „Marie Farère" hatte noch nicht das Rohak passiert, als sich das Unglück ereignete, dem um ein Haar das Schiff und die gesamte Mannschaf zum Opfer gefallen wäre. Das Schiff wurde schließlich,
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