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Aufstand der Fischer von St. Barbara

Aufstand der Fischer von St. Barbara

Titel: Aufstand der Fischer von St. Barbara
Autoren: Anna Seghers
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Stück die Klippen hinunter. Er kam an eine kleine Bucht, die er gar nicht kannte. Auf dem Sand lag ein Boot, und auf den Steinen, auf dem Bauch, lagen ein paar Buben aus dem Nachbarort und stocherten im Tang. Hull sah ihnen zu. Plötzlich hörte er hinter sich Stimmen und merkte, daß diese Buben gar nicht ins Boot gehörten, sondern zwei städtisch gekleidete junge Leute waren, die ohne Grund an der Küste herumschlenderten. Hull redete sie an, sie schwatzten eine Weile hin und her; er erfuhr, daß sie vom Rohak kamen und zu einer Kommission gehörten, die dort am Leuchtturm irgendwelche Neuerungen einführen sollte. Sie waren zu ihrem Vergnügen gerudert und wollten zu dem Dampfer nach der Margareteninsel zurück, der an diesem Tag ihrethalben einen Umweg über das Rohak machte. Hull fragte, ob sie ihn mitnehmen könnten; sie zogen zu dritt das Boot vom Sand und ruderten los. Sie kamen gerade zur rechter Zeit an. Der Dampfer holte sie ab, fünf oder sechs, auch Hull war dabei. Während der ganzen Zeit hatte Hull nicht die geringste Angst gespürt. Jetzt, auf dem Schiff, fing er sofort an, sich zu fürchten. Unter all diesen Menschen, Arbeitern, Kaufleuten, Schiffern mußten mehrere sein, die ihn kannten. Er ging, ohne sich umzusehen, quer über das Verdeck. Niemand rief ihn an. Aber auf der Treppe stieß er auf einen kleinen Mann in gelbleinenem Kittel, der prallte zurück. Hull ging an ihm vorbei in die Kajüte. Da saßen etliche Frauen mit ihren Körben, die waren wohl aus St. Barbara. Hull setzte sich mit dem Gesicht gegen die Wand. Er hätte nicht heruntergehen sollen. Wenn der Kleine im gelben Kittel herunterkam, konnte er nicht ausweichen. Er stützte den Kopf in die Hände. Es war ja immerhin möglich, daß er durchschlüpfe. Er hatte eine winzige Hoffnung, im nächsten Monat drüben zu sein. Vielleicht war die Arbeit schwer und die Sonne gifig. Aber bereitwillig wartete an seiner Seite das Meer, ihn weiterzuschicken, wohin immer; jeder Tag schüttete über ihn Gefährten aus, Essen und Trinken und was zu lieben.   Jemand klopfe ihn auf die Schulter. Der kleine Mann im Kittel. Er redete ihn an. Hull erschrak und krümmte sich zusammen. Aber der andre merkte schon, daß er Hull mit irgend jemand verwechselt hatte. Auch Hull merkte jetzt, daß ihm der Kleine fremd war. Sie sprachen miteinander, dann ging er nach oben. Er hing sich übers Geländer, jetzt sah man die Insel schon, den Turm auf der Mole, spitz wie ein Zuckerhut. Auf einmal wurde Hull fröhlich. Eine solche Freude war das, die einem schon im ersten Auflitzen bis in die Fingerspitzen heiß machte. Er drehte sich um. St. Barbara war nur ein schmaler brauner Streifen – er hatte auch gar nicht achtgegeben, jetzt merkte er, daß der Sommernachmittag blau war, daß die Sonne nach Meer und das Meer nach Sonne roch –, ein brauner Streifen, wie alle Küsten, die er irgendwo mal gelassen hatte. Dann schob sich die Luf darüber, der Streifen war nur ein Strich, dann war gar nichts mehr. Jetzt war der Turm an der Mole zu greifen, jetzt kam der Augenblick, wo alles anfing, ganz schnell zu gehen, wo das Land den Dampfer heranzog. Sie kamen an und mußten einzeln über den Steg. Auf einmal war alle Freude aus seinem Herzen weg, nur Enttäuschung war drin. Er schlenderte über das Pflaster, tiefer in die Stadt. Abends fand er Unterkunf bei dem Wirt, der ihn schon im Sommer beherbergt hatte.
    Kaum war Marie in der Tür, da kamen ein paar von den Kedelschen Soldaten. „Wo ist Hull? –" „– Was weiß ich, in meinem Rock ist's zu eng, du siehst ja!" Die Soldaten suchten. Marie lehnte am Schrank, drehte eine Franse um ihren Daumen. Die Männer wühlten. Marie regte sich nicht und drehte und drehte. Sie stampfen die Treppe hinauf, wühlten droben, fluchten. Marie drehte die Franse um ihren Daumen und horchte; mal war es droben eine Sekunde still, Marie riß die Brauen hoch, hörte eine Sekunde zu drehen auf, droben ging's weiter. Marie fuhr fort zu drehen. Sie stampfen wieder herunter, wühlten in Läden und Schränken. Marie regte sich nicht, bloß wie der Truhendeckel zersprang und die Flasche klirrte und die weiße Wand betupfe, zeigte Marie mal ihre blanken Zähne.
       Die Soldaten gingen, einer kehrte nochmal um, zwickte Mariens Arm: „Wo ist er?" Zwickte nochmals: „Wo ist er?" Marie blinzelte weich, er streichelte nur noch ein bißchen, die Kameraden pfiffen ihm schon. Marie hörte zu blinzeln auf und sah böse und hart auf die Tür. Dann
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