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Aufstand der Fischer von St. Barbara

Aufstand der Fischer von St. Barbara

Titel: Aufstand der Fischer von St. Barbara
Autoren: Anna Seghers
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Leben brauchte, ob es nun Marie heimlich hingelegt hatte, oder ob die Leute aus dem Dorf ihm halfen. Jetzt hätte er wohl den Ort verlassen sollen. Aber Andreas wußte nicht wozu. Schon jetzt war er nie mehr froh. Er hatte nur Angst, beständige, ermüdende Angst, während er hier in den Klippen lag, möchte sich eine kurze Strecke von ihm entfernt, dort auf der Höhe – wenn er sich weit herauswagte, konnte er Bredweks Dach sehen, wie den Knopf auf einer Mütze – wieder etwas ereignen, was er versäumen mußte. Schon lange hatte er ja nichts mehr getan. Das mit dem Schiff war jetzt schon lange her; er hatte es beinah selbst vergessen. Zuerst war es ihm als etwas ganz Schreckliches und Großartiges erschienen, wenn einer so was tat, dann mußte er für immer allein bleiben. Aber jetzt hatte Andreas keinen andren Wunsch, als den Weg vom Markt bis zu Bredweks Haus heraufzuschlendern. Die Schiffe waren noch nicht ausgefahren, soviel hatte er gemerkt.    Einmal erwachte Andreas am Tage, der Wind hatte sich gedreht, der Himmel gesenkt, mit all seinen Wurzeln saugte er Graues aus der Erde, verzehrte sich und tropfe zurück. Andreas war unruhiger als sonst. Er schlenderte herum, machte seinen gewöhnlichen Umkreis, kletterte weiter nd ging plötzlich die Höhe hinauf. Es war Regendämmerung. Er begegnete zunächst niemand. Geradewegs, ohne zu überlegen, lief er zu Kedenneks Hütte. Als auf sein Klopfen niemand antwortete und die Tür nicht gleich nachgab, drückte er so heftig dagegen, daß sie aufrach. Er merkte gar nicht, daß sie verschlossen war. Die Stube war dunkel, die Fenster durch irgend etwas verhängt, ein dumpfer Geruch. Auf dem vertrauten Weg von Tür zu Herd, hier eine Biegung um den Tisch, dort muß man über den Schemel treten, stieß er gegen allerhand Sachen und Geräte; war es in die Dinge gefahren oder in ihn? Er trat verwirrt ins Freie, nebenan krachte ein Fenster, gleich darauf kam Katarina Nehr heraus. „Was willst denn du hier? Das ist nicht schlau, wiederzukommen." – Der Regen machte ihre Haube schlapp; so steif und hart Katarina Nehrs Kleid auch war, etwas von der Brust war doch zu merken und noch mehr. Andreas streckte unwillkürlich die Hand aus, bevor er zu sprechen begann, einen Augenblick lächelten sie sich an mit blanken, jungen Zähnen, dann fragte Andreas: „Was ist denn da drinnen los?" – „Was soll denn los sein? Gar nichts, die sind bloß fort." – „Wohin denn?" – „Ja, was soll sie denn hier groß abwarten? In die Stadt ist sie. Da hat ihr einer was gesagt, wo noch welche gesucht werden, und da ist sie clenn fort." – „Und die Buben alle beide?" – „Ja, gerade wegen denen ist sie ja fort." Andreas erwiderte nichts, Katarina Nehr sagte: „Die haben schlechtes Wetter zur Ausfahrt." – „Wann wollen sie denn fahren?" – „Morgen. Die Männer sind alle drunten. Mach jetzt, daß du wegkommst, das wird schlecht mit dir ausgehen." – Andreas erwiderte: „Nein, ich geh auch hinunter." – „Was willst du denn dort?" – „Ich weiß noch nicht, die sollen nicht ausfahren." Katarina Nehr begann von neuem: „Du, Andreas, mach, daß du wegkommst." Aber Andreas ließ sie stehen. Er drehte sich gleich wieder um, da war sie schon in der Stube.    Andreas ging schnell. An der Ecke stieß er auf einen der Soldaten, die nachts die Gasse auf und ab gingen. Eine Sekunde stutzten beide mit gerunzelten Stirnen. Andreas ging schneller. Er hörte dicht hinter sich einen Pfiff, aber er verstand nicht, was er mit ihm zu tun hatte. Er wollte zum Hafen. Aber er war noch nicht den Weg herunter, als er festgenommen wurde.    Andreas wehrte sich zunächst gar nicht. Als er einen Stoß zwischen die Rippen bekam, gab er weich in den Knien nach, als ob auf dem Wasser eine lose Planke gegen ihn gefahren wäre. Übrigens hatte der Soldat zu seiner Linken – er ging zwischen dem, der gepfiffen, und dem, der auf den Pfiff herbeigelaufen war – keine Lust, ihn zu stoßen. Er hielt ihn nicht eben hart gefaßt und betrachtete ihn von der Seite. Es war merkwürdig, daß dieser stille, grämliche Soldat gepfiffen hatte. Vier Soldaten gingen ihnen entgegen. Andreas trabte geduldig in der Mitte, ohne sich umzusehen, den Körper weich und gefaßt auf frische Stöße.    Als sie aber auf den offenen Platz kamen, vielleicht waren es die Lichter hinter den Läden, vielleicht die Rufe vom Kai her, verstand Andreas plötzlich, worum es sich handelte. Er hob den Kopf und riß sich
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