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Auferstehung der Toten

Auferstehung der Toten

Titel: Auferstehung der Toten
Autoren: Wolf Haas
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darauf, daß seine Migränetablette endlich wirkt. Und statt daß er seinen Bericht schreibt, starrt er den furnierten Tisch an und denkt an die Nußholzschränke von seinem Großvater. Seine nervösen blauen Augen wandern jetzt überhaupt nicht nervös herum. Aber nicht, weil sie den Tisch fixieren, weil den Tisch fixieren sie ja in Wirklichkeit auch nicht. In Wirklichkeit schaut der ja durch den Tisch durch. Der Tisch und die ganze Hotelzimmer-Atmosphäre haben den Brenner überhaupt nicht gestört.
    Es stört ihn überhaupt nur eines. Daß er sich nicht konzentrieren kann. Und das ist es ja auch gewesen, was der Nemec ihm immer vorgeworfen hat. Und der Brenner hat jetzt nichts Besseres gewußt, als daß er dem Nemec insgeheim recht gibt.
    Dazu kann ich nur eines sagen. Es ist kein Zufall gewesen. Kein Mensch hätte sich bei dieser Sache konzentrieren können. Weil überhaupt nichts dagewesen ist, wo man sich einhalten kann. Worauf sollst du dich da konzentrieren, wenn nichts da ist. Und noch etwas ist kein Zufall gewesen. Daß ausgerechnet der Brenner, der praktisch auch sonst nicht
so
ein konzentrierter Typ gewesen ist, daß ausgerechnet der für so einen Fall wieder der Richtige gewesen ist.
    Weil das ist quasi ein Glatteis gewesen, oder von mir aus ein Tiefschnee, oder vergleiche es meinetwegen mit was anderem. Da kommst du mit einer anderen Gangart besser vorwärts als wie zum Beispiel auf einer Asphaltstraße. Und da ist einer, der, sagen wir, auf der Asphaltstraße viel zu umständlich und langsam ist, der ist da womöglich wieder im Vorteil.
    Und einer, der auf dem Asphalt eine gute Figur macht, sagen wir, wie der Nemec, der drauflosmarschiert, daß es eine Freude ist, der ist natürlich hier sofort auf die Nase gefallen, daß es eine Freude gewesen ist.
    Die polizeilichen Ermittlungen, damals im Jänner, haben zu rein gar nichts geführt. Zuerst, Anfang Jänner, hat es geheißen, daß es zwei Spuren gibt, die sie noch geheimhalten müssen. Und Ende Jänner sind sie wieder abgezogen, und da ist von den Spuren keine Rede mehr gewesen.
    «Kein Stein darf auf dem anderen bleiben», ist am Anfang dem Nemec sein Spruch gewesen. So ist es jedenfalls in der PP gestanden, in der
Pinzgauer Post.
Und da hat es auch noch so ausgesehen, mein Lieber, als ob der Nemec den Täter binnen Stunden in seinem Loch aufstöbert. Oder besser gesagt:
    «Den oder die Täter oder die Täterin», weil so hat der Nemec immer jeden sofort korrigiert, der von einem Täter geredet hat. Hat einer nur sagen brauchen «der Täter», hat er sicher sein können, daß ihn der Nemec unterbricht:
    «Der oder die Täter oder die Täterin.»
    «Oder die Täterinnen!» hat der Brenner wieder den Nemec korrigiert. Und das neben dem Kollegen Tunzinger! Weil den Schmeller haben sie ja schon eineinhalb Jahre vorher bei diesem Bankraub in, in, in, also, der ist ja dort erschossen worden.
    Jetzt möchte ich nicht sagen, daß der Nemec ein besonders prägnantes Gesicht hat. Obwohl er dünn ist, nur Haut und Knochen. Aber mehr so magengeschwürdünn. Nein, auch wieder nicht, mehr so wie ein Student, eigentlich hat der ein richtiges Milchgesicht. Über 40, das weiß ich, aber wenn du den auf der Straße siehst, kannst du ihn auch für 30 halten, ein Student mit einer Nickelbrille.
    Und vielleicht ist es einem gerade wegen dem Milchgesicht so aufgefallen. Weil wenn der sich geärgert hat, ist ihm eine, ob du es glaubst oder nicht, fingerdicke blaue Ader auf der Stirn herausgekommen. Und je mehr er sich bemüht hat, sich den Ärger nicht anmerken zu lassen, um so dicker ist ihm die blaue Ader auf der Stirn angeschwollen. Daß man geglaubt hat, dem rutscht der ganze Ärger, den er hinunterschlucken möchte, direkt in die Stirnader hinauf.
    Aber abgesehen von der blauen Ader hat es damals keine Reaktion auf Brenners Entgleisung gegeben, also daß der «die Täterinnen» gesagt hat. Das war ja schon Ende Jänner. Und da hat man es schon gewußt, den ganzen Mißerfolg.
    Zuerst zwei Spuren, aber jetzt überhaupt keine Spur mehr. Und für die zwei Spuren sind die Polizisten von den Zellern sowieso nur ausgelacht worden.
    Aber ich muß ehrlich sagen, was hätten sie anderes machen sollen. Der Vergolder ist der einzige Angehörige der Opfer gewesen, also haben sie bei ihm angefangen. Motiv hätte der schon eines gehabt, weil der erbt ein paar Millionen, und nicht daß du glaubst, Schilling. Weil Amerika, und da gilt der Dollar. Aber daß dem selber halb Zell gehört
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