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Auferstehung der Toten

Auferstehung der Toten

Titel: Auferstehung der Toten
Autoren: Wolf Haas
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Stausee gesagt. Da hat der Nemec wegen der «Heidnischen Kirche» vielleicht einen politischen Terrorismus oder so was Ähnliches vermutet, aber politisch sind die Leute da herinnen ja weniger.
    Die Kripo ist nur auf die Idee gekommen wegen dem Schitourismus, also wegen der Forderung, daß man den abschaffen soll. Weil man die Leichen ausgerechnet im Schilift. Weil das ja umständlich ist. Praktisch eine letzte Warnung. Aber es hat keinen Begleitbrief gegeben, Anrufe auch nicht, und was soll das für eine Warnung sein ?
    Und dann hat sich auch noch herausgestellt, daß solche Drohungen so alt sind wie der Stausee selbst. Irgendwie muß der Stausee die Phantasie von den Leuten angeregt haben. Vielleicht doch eine Angst, unbewußt, ich weiß es nicht. Der Zeller Bürgermeister hat eine ganze Sammlung gehabt von diesen Briefen. Aber die Kripo hat es erst nach drei Wochen erfahren. Weil man hat natürlich geschaut, daß so was nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Stell dir vor, die Touristen wären womöglich ausgeblieben wegen so einem Blödsinn.
    Und der Bürgermeister hat immer gesagt: «Die zehn Meter dicke Mauer sprengen? Da ist es ja leichter, den Berg rundherum wegzusprengen.»
    Aber ins Gemeindeprotokoll sind solche Sätze nie gekommen. Weil man hat eben geschaut, daß das nicht offiziell wird, also sagen wir: totschweigen. Und ist auch das beste gewesen. Weil der Stausee ist immer noch oben.
    Das hat sich jetzt auch der Brenner wieder gedacht, wie er von seinem Balkon aus hinübergeschaut hat. Der Stausee ist noch oben, und sonst hat sich auch nichts geändert. Weil wenn er ehrlich war, dann hat er auch jetzt, ein halbes Jahr später, noch keine Spur gehabt. Und der Brenner ist jetzt gerade in dieser Stimmung gewesen, wo man einmal ehrlich zu sich selber ist.
    Die Sonne ist langsam untergegangen, und der See hat gespiegelt, also das ist ein Naturschauspiel, daß du sagst: Gibt es nicht.
    Und jetzt ist er sich mindestens so stumpfsinnig wie die Tochter des Polizeimusikdirektors vorgekommen, wie er im stillen zu sich selber gesagt hat:
    «Ehrlich gesagt – die Heidnische Kirche ist es nicht gewesen, und der Vergolder Antretter ist es nicht gewesen, und sonst ist es auch keiner gewesen. Aber irgendeiner muß es ja gewesen sein.»
     

4
    Nein, jetzt schau her. Zell ist nicht so klein, daß jeder jeden kennt. Aber jeder kennt den Taxifahrer Goggenberger Johnny. Der ist ein Original, das kannst du laut sagen. Weil der hat 120 Kilo und einen rosaroten Chevrolet, mit dem fahrt er seit 20 Jahren Taxi in Zell. Was anderes hat der nie getan, weil so alt ist der Johnny noch gar nicht, wie er ausschaut. Aber wo der den Chevrolet herhat, würde mich interessieren.
    Jetzt hat sich der Brenner am 7. September vom Johnny nach Kaprun fahren lassen. Das war mehr, sagen wir, nicht weil der Brenner unbedingt nach Kaprun muß. Aber die Taxifahrer, die hören natürlich oft viel: Und wenn er sich vom Johnny wo hinbringen läßt, da erfahre ich vielleicht was, hat sich der Brenner gedacht, aber da hat er sich geschnitten.
    Weil der Johnny, der sagt nicht muh und nicht mäh, und wenn du mit ihm bis Schweden hinauffährst. Weil einmal hat sich ein Schwede beim Schifahren den Fuß gebrochen, und der hat sich vom Johnny heimchauffieren lassen, bis Schweden hinauf. Und da muß ich ehrlich sagen, Vergnügen kann das keines gewesen sein, weil der Johnny raucht Virginia, und den Gestank in dem seinem Chevrolet hältst du kaum von Zell bis Schüttdorf aus. Und natürlich, viel geredet wird er mit dem Schweden auch nicht haben, weil der Schwede hat nicht Deutsch gekonnt, und der Johnny, also schwedisch hab ich den auch noch nie was sagen gehört.
    «Scheiß mich an!» sagt der Johnny jetzt, wie der Wetteransager im Radio meldet, daß es heute sogar noch heißer wird als gestern.
    Sonst hat der Brenner nichts aus ihm herausgekriegt. Wenn er betrunken ist, redet der Johnny ununterbrochen, so ist es immer mit den Stillen. Aber er ist selten betrunken, weil als Taxler könnte er sich das natürlich überhaupt nicht leisten.
    Aber den Brenner hat etwas anderes viel mehr aufgeregt. Nicht der Virginiagestank, weil heute ist sein Kopfweh wie weggeblasen gewesen, und dann stört ihn so was nicht. Er hat ja selber geraucht bis vor sieben Monaten. Aber daß der Johnny auf der Landstraße nach Kaprun, also wo jeder normale Mensch einen Hunderter fährt, weil Schnellstraße, und da könntest du auch locker hundertfünfzig fahren, wenn es erlaubt wäre.
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