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Auferstehung der Toten

Auferstehung der Toten

Titel: Auferstehung der Toten
Autoren: Wolf Haas
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braucht nicht gleich sein, müssen sich nur immer zwei finden, die es unter sich ausmachen. Und wenn deine Mannschaft gewinnt, dann kriegst du das Geld, und sonst zahlst du.
    Aber nicht, daß du glaubst, daß die wegen dem Geld gestritten haben. Also, da gibt es gar nichts, weil ausgemacht ist ausgemacht. Das ist mehr gewesen, sagen wir: weil es gibt ja bessere Schützen und schlechtere, und da sind die Pensionisten ja gleich wie die Kinder. Jeder glaubt, er ist der bessere. Das würde nichts ausmachen, soll jeder glauben, wie er will. Aber dann gibt es dieses Problem, den «Haggl», und da gibt es jedesmal Streit, ob du es glaubst oder nicht.
    Es hat nämlich jede Mannschaft einen Anführer, sagen wir, wie ein Kapitän beim Fußball. Der heißt «Moar», frag mich nicht, wo das herkommt, aber der heißt einfach so, und der darf zweimal schießen. Alle anderen dürfen nur einmal schießen, aber wenn alle geschossen haben, hat die Mannschaft noch eine letzte Chance, weil dann geht der Moar noch einmal hinauf. Jetzt, wer der Moar ist, das ist ganz genau geregelt, weil das ist immer der Beste aus dem vorhergehenden Spiel, der ist automatisch der Moar. Da gibt es nie einen Streit, aber mit dem Haggl, da gibt es gern einen Streit.
    Jetzt, was ist ein Haggl? Wenn heute irgendwo am Nachmittag ein paar Pensionisten und ein paar andere, die vielleicht gerade Zeit haben, Eisschießen, dann ist das ja nicht wie bei einer Meisterschaft, also genau geregelt und auf jeder Seite soundso viele Spieler. Kann es sich zufällig nicht auf eine gerade Zahl ausgehen und die eine Mannschaft hat um einen Mann mehr als die andere, sagen wir: acht auf der einen Seite, neun auf der anderen. Dann ist bei der einen Mannschaft, wo weniger sind, einer der Haggl. Der darf dann auch zweimal schießen, genau wie der Moar.
    Und da gibt es natürlich immer Streit, weil es nicht geregelt ist, wer der Haggl ist, der Beste natürlich. Ist ja besser für die ganze Mannschaft, wenn ein Guter ein zweites Mal schießt. Aber was nützt das, wenn jeder glaubt, er ist der Beste.
    «Du Haggl?» ruft ein kleiner, ausgemergelter Mann, den der Brenner nicht gekannt hat. Er hat schmutzige Gummistiefel angehabt und einen alten Filzhut am Kopf. Das ist der Gschwentner-Bauer gewesen. Und der, den er gemeint hat, das war der Fux Andi, der ist erst achtzehn oder neunzehn gewesen, aber hat schon eine volle Glatze gehabt.
    «Sicher. Damit du deinen Fünfer gewinnst.»
    Die anderen haben fest gelacht über die Antwort vom Fux Andi, der seinen Haggl-Posten so frech verteidigt hat. Jetzt mußt du wissen, daß der Gschwentner-Bauer nur so ausgesehen hat wie ein armer Bauer. Aber der ist der größte Bauer weit und breit und
geizig,
das glaubst du nicht. Und das ist dem sein Geiz gewesen, was der Andi gemeint hat. Daß der um einen Fünfer spielt, obwohl normalerweise ein Zehner schon das wenigste ist.
    Der Brenner hat auch gelacht, er hat sich gefreut, daß ihm ausgerechnet an dieser Stelle die Geduld gerissen ist und er aus dem rosaroten Chevrolet vom Johnny ausgestiegen ist. Aber er hat natürlich in dem Moment noch keine Ahnung gehabt, daß er ausgerechnet hier das findet, was er beim Taxler Johnny umsonst gesucht hat. Daß er ausgerechnet bei dieser harmlosen Streiterei eine Spur findet, damit hat er ja in dem Moment überhaupt nicht spekuliert.
    Jetzt paß auf, wie das weitergegangen ist. Die Spieler sind alle am oberen Ende der Bahn gestanden und der Brenner herunten und hat darauf gewartet, daß sie anfangen und ihre Stöcke herunterschießen. Und nach und nach sind die Spieler dann heruntergekommen, weil jeder geht natürlich herunter, wenn er geschossen hat. Und der Brenner hat den Vergolder Antretter erst jetzt erkannt. Der ist der Moar der anderen Mannschaft gewesen, also nicht vom Gschwentner und vom Andi, sondern Gegner, und der hat gleich den ersten Schuß gemacht und ist jetzt heruntergekommen, wo der Brenner gestanden ist.
    Der Brenner hat sich gewundert, daß der Vergolder mit den gewöhnlichen Leuten Eis schießt. Weil der ist ja normalerweise mit ganz anderen Leuten zusammen. Der deutsche Bundespräsident hat ein Haus in der Gegend, oder der Landeshauptmann kommt zu Besuch, und das sind die Leute vom Vergolder. Der Bürgermeister geht ja auch nicht Eis schießen, höchstens einmal im Jahr, oder wenn eine Wahl ist.
    Es hat sich dann herausgestellt, daß der erste Schuß vom Vergolder so gut war, daß er die gesamte gegnerische Mannschaft mit einem Schuß.
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