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Auferstehung der Toten

Auferstehung der Toten

Titel: Auferstehung der Toten
Autoren: Wolf Haas
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und daß der nicht so blöd ist, daß er seine Schwiegereltern in Zell auf seinem eigenen Schilift – wie soll ich sagen, Ende Jänner hat es die Polizei auch eingesehen.
    Vielleicht, also wundern würde es mich nicht. Vielleicht hat es den Nemec gerade gereizt, daß der Vergolder einer von den Stadtoberen gewesen ist. Und da hätten sie gleich den Bürgermeister selbst oder den Pfarrer nach einem Alibi fragen können.
    Ich glaube, der Nemec hat sich damals schon in der Zeitung gesehen, mutiger Aufdecker oder so und sein Bild dabei, kompromißlos und unbestechlich. Aber dem Vergolder haben sie nichts nachweisen können, und natürlich ist das eine Blamage ersten Ranges für den Nemec gewesen. Ende Jänner ist dann plötzlich keine Rede mehr von dem Vergolder Antretter gewesen.
    Und von der «Heidnischen Kirche» rede ich gar nicht, weil das ist die zweite Spur gewesen, aber da ist erst recht nichts herausgekommen. Aber der Brenner hat jetzt doch an die «Heidnische Kirche» denken müssen, freilich aus einem anderen Grund. Weil der hat sich jetzt in seinem Hotelzimmer im
Hirschen
sein Hemd wieder angezogen und ist auf den Balkon hinausgegangen.
    Drüben am See ist noch vor einer Woche Hochbetrieb gewesen, und jetzt nur noch ein paar einzelne Badegäste. Es war Anfang September, viel zu warm für die Jahreszeit, wie der Wetteransager immer behauptet. Aber die Schule fängt trotzdem an. Die Urlaubsgäste verschwinden über Nacht, nur mehr ein paar Pensionisten sind noch da.
    Und der Brenner natürlich. Der ist auch immer noch dagewesen. Und sein Gefühl – darum ist es so gefährlich, wenn sich ein Detektiv auf sein Gefühl verläßt. Weil sein Gefühl, das ihm noch vor einer Stunde Hoffnung gemacht hat, hat ihn jetzt, wie er da auf seinem Balkon steht und über den See hinüberschaut, auf einmal völlig hoffnungslos gemacht.
    Eines muß man sagen, eine großartige Sicht. Und die Berge so nahe, da glaubst du gar nicht, daß der See noch dazwischen liegt. Er hätte jetzt problemlos bis zum Stausee hinaufgesehen. Aber ein Waldvorsprung verdeckt die Sicht auf diese Gegend, die in den Wanderkarten noch von früher her «Heidnische Kirche» heißt.
    Mit «Heidnische Kirche» sind die Drohbriefe unterschrieben gewesen, die in der Redaktion der
Pinzgauer Post
aufgetaucht sind. Und die Forderungen in diesen Briefen, also hör zu, entweder müssen das Irre oder Lausbuben geschrieben haben: Die Gemeinde Zell soll den ganzen Schitourismus, stell dir das einmal vor. Einstellen. Den ganzen Schitourismus. Abschaffen! Und wenn das nicht passiert, dann wird die Moosersperre in die Luft gesprengt. Genau so ist es drinnen gestanden in den Briefen. Unterschrift: Heidnische Kirche.
    Jetzt darfst du nicht vergessen, daß über Zell, also eigentlich im Glocknermassiv, praktisch direkt über den Köpfen der Zeller, einer der größten Stauseen von ganz Europa ist. Das ist den Leuten ja gar nicht bewußt, wenn sie durch Zell gehen. Daß da über ihnen, praktisch wie ein Damokles, wenn die bricht, so eine Staumauer. Weil die Moosersperre, das ist eine von den drei Staumauern. Und die steht praktisch mitten in diesem Gebiet, das «Heidnische Kirche» heißt. Wo der Name herkommt, weiß man nicht.
    Und dann gibt es
noch
die Drossensperre und die Limbergsperre. Es ist natürlich unmöglich, daß eine Mauer wirklich bricht. Aber sagen wir einmal so. Wenn die bricht, da brauchst du nicht glauben, daß ein einziger Zeller das überlebt.
    Andererseits. Die Mauern stehen schon seit bald fünfzig Jahren da oben, weil der Stausee gleich nach dem Krieg eröffnet worden ist. «Symbol der Republik» ist in der Zeitung gestanden, das war 1951, wie sie ihn eröffnet haben. Jetzt kann man natürlich in sechs Jahren keinen Hochgebirgsstausee bauen, oder vielleicht könnte man es heute, aber damals nicht. Die Politiker haben natürlich kein Wort darüber verloren, daß er – aber ich möchte jetzt auch nicht wieder mit der Nazizeit anfangen.
    Beim 25-Jahr-Jubiläum ist es dann in Mode gekommen, praktisch kritische Berichte. Und vor ein paar Jahren, das ist 1991 gewesen, da war das 40-Jahr-Jubiläum. Da hat man sogar ein paar von den ukrainischen Zwangsarbeitern eingeladen, weil von denen sind natürlich im Krieg Hunderte auf der Baustelle oben ums Leben gekommen. Fertig gebaut ist der Stausee dann von den Amerikanern worden.
    Nach dem Krieg sind alle froh gewesen über den Strom und über den Aufschwung, und die Politiker haben «Symbol der Republik» zu dem
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