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Auferstehung der Toten

Auferstehung der Toten

Titel: Auferstehung der Toten
Autoren: Wolf Haas
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erzwingen will, dann geht es erst recht nicht. Vielleicht war das der Grund, daß der Brenner immer noch kein einziges Wort von seinem Bericht für das Detektivbüro Meierling geschrieben hat. Obwohl es schon eine gute Stunde hergewesen ist, seit er den Mandl stehengelassen hat.
    Es ist der 6. September gewesen, aber immer noch so warm, daß er mit nacktem Oberkörper in seinem Zimmer sitzt. In den schattseitigen Zimmern ist es freilich um diese Jahreszeit schon ganz eine andere Geschichte gewesen. Aber Brenners Zimmer war sonnseitig, und das heizt sich untertags natürlich furchtbar auf, ja, was glaubst du.
    Seit über einer Stunde sitzt er schon an seinem Zimmertischchen, wie er auf einmal bemerkt, daß er noch keine Zeile geschrieben hat. Weil er ist mit seinen Gedanken ja völlig woanders gewesen. Das war seine alte Krankheit, daß er sich nicht konzentrieren kann. Äußerlich hat der Brenner ja einen furchtbar ruhigen Eindruck gemacht. Da gibt es so einen Film, wo der Mönch sagt, also so ein indischer, ein Buddhist, der sagt: Wenn ich gehe, dann gehe ich, und wenn ich stehe, dann stehe ich. Und so einen Eindruck hat man vom Brenner gehabt, wenn man ihn wo gehen oder stehen gesehen hat oder sitzen von mir aus. Rein äußerlich.
    Und da hat man ihn schon gut kennen müssen, daß man gewußt hat, wie nervös der die ganze Zeit gewesen ist. Und konzentrieren, sagen wir, auf das Wesentliche, das ist überhaupt nicht dem seine Stärke gewesen. Der Nemec, der hat das schon am ersten Tag erkannt und dem Brenner unter die Nase gerieben:
    «Konzentrieren geht über studieren, Brenner!»
    Weil das ist dem Nemec seine Antwort gewesen, wie der Brenner bei ihm angesucht hat, ob er an einer Schulung teilnehmen darf. Vielleicht ist es auch nicht gescheit gewesen, daß man gleich am ersten Tag, wo man einen neuen Chef hat, wegen einer Schulung ansucht, weil immerhin zwei Tage Dienstabwesenheit. Daran hat der Brenner jetzt denken müssen, wie er bemerkt hat, daß er noch kein einziges Wort geschrieben hat, obwohl er schon seit einer Stunde den Tisch anstarrt.
    So ein kleiner filigraner Tisch, also, wenn du den nur angeschaut hast, hat er schon gezittert. Und normalerweise kann man sich nicht vorstellen, daß man den für mehr verwendet als zum Anschauen. Aber dem Brenner, dem ist so was egal gewesen. Der hat seit einem halben Jahr da Woche für Woche seinen Bericht getippt.
    Dabei ist dem sein Großvater in Puntigam Schreiner gewesen. Bei dem hätte so etwas nicht Tisch geheißen. Der Brenner hat noch zwei Kästen gehabt, die sein Großvater gebaut hat. Schöne, schlanke Nußholzkästchen, die sind schon in der Wohnung von seinen Eltern gestanden, wie er auf die Welt gekommen ist.
    Und seit dem Tod seiner Eltern hat der Brenner sie eben in seiner Wohnung. Weil Geschwister hat er keine, und in seine Buwog-Wohnung haben sie gut hineingepaßt. Also Bundesangestelltenwohnung, da wohnen nur Bundesangestellte, günstige Miete, ja, was glaubst du. Und der Brenner hat sich jetzt natürlich gefürchtet, daß er hinaus muß, weil er bei der Polizei gekündigt hat.
    Aber dann ist etwas passiert, das hat ihn überrascht. Weil bisher hat er noch überhaupt nichts gehört, keine Benachrichtigung, nichts. Und statt daß er endlich seinen Bericht schreibt, denkt er sich jetzt: Wahrscheinlich hängt das mit seinem Schulkollegen Schwaighofer zusammen. Das ist nämlich so gewesen:
    Wie der Brenner vor fünf Jahren um so eine geförderte Wohnung angesucht hat, hat er eine Überraschung erlebt. Zuerst hat er ihn gar nicht erkannt, weil Glatze und zwanzig Jahre nicht gesehen, aber sein Schulkollege Schwaighofer hat ihn sofort erkannt. Der war der Büroleiter dort und für die Vergabe der Wohnungen zuständig. Zuerst ist es dem Brenner noch unangenehm gewesen, also verlegen, weil was redest du mit einem Schulkollegen, den du vor zwanzig Jahren das letzte Mal gesehen hast. Und während der Schulzeit haben die zwei auch nicht viel miteinander geredet. Der Brenner ist ja immer ein verschlossener Mensch gewesen, darf man nicht vergessen, ich möchte nicht sagen verstockt, aber immer verschlossen. Und der Schwaighofer auch nie ein besonderer Dings.
    Jetzt ist dem Brenner das aber nicht lange unangenehm gewesen, weil als Junggeselle hätte der eine Wartezeit gehabt, die haben da Wartezeiten, frage nicht, Jahre! Er hat dann schon nach drei Monaten einziehen können, und das hat ihm natürlich sein Schulkollege Schwaighofer gerichtet. So ist es einmal bei
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