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Auferstehung der Toten

Auferstehung der Toten

Titel: Auferstehung der Toten
Autoren: Wolf Haas
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jedem gesagt, der es wissen wollte, daß er wegen der Liftgeschichte da ist. Aber wie soll ich sagen: Man hat ihm den Detektiv nicht angesehen.
    Das Komische ist, er hat eigentlich genau so ausgesehen, wie man sich vielleicht einen Polizisten oder einen Detektiv vorstellt. So ein untersetzter Typ, wo die Schultern fast breiter sind als die Beine lang. Nicht groß und nicht klein und einen richtigen Kantschädel mit zwei senkrechten Falten in den Wangen. Und so eine rote, narbige Haut wie der Fußballspieler, wie hat der jetzt schnell geheißen, wo es zwei Brüder gegeben hat.
    Aber ich glaube nicht, daß ihm leicht einer den Detektiv oder den Polizisten angesehen hat. Eine Rolle haben da sicher seine wasserblauen Augen gespielt. Die sind immer nervös herumgewandert, und im nachhinein kann man leicht sagen, das war, weil er immer alles ganz genau beobachtet hat.
    Aber wenn man ihn so gesehen hat, hat er eher einen ängstlichen Eindruck gemacht. Einmal hat man ihn da und einmal dort gesehen, am Fußballplatz oder im
Cafe Feinschmeck
oder beim
Hirschen.
Oder er steht einfach auf dem Kirchplatz herum oder geht am See unten ein bißchen spazieren. Und weil er so ein rotes Gesicht hat, sieht man schon von weitem, wie seine blauen Augen darin ängstlich herumwandern. Das war es vielleicht, warum man nicht richtig Respekt vor ihm gehabt hat. Menschlich schon Respekt, aber nicht, sagen wir: wie vor dem Nemec.
    Und das war es auch, wieso der Nemec ihn nicht gemocht hat, diese Ausstrahlung, daß er nicht richtig dazugehört. Der hat sich darüber in aller Öffentlichkeit lustig gemacht:
    «Schaun’s nicht so mit Ihren Tschechenaugen, Brenner!»
    Gleich ein paar Tage nachdem der Nemec die Abteilung übernommen hat, war das. Und noch dazu in Anwesenheit von Brenners Kollegen Tunzinger und Schmeller, der ist dann ein halbes Jahr später bei dem Banküberfall in, in, in, wo war das jetzt, erschossen worden. Der Brenner war sich in dem Moment überhaupt nicht bewußt, daß er irgendwie sonderbar geschaut hat, und er hat keine Ahnung gehabt, was der Nemec mit den Tschechenaugen meint.
    Zuerst hat er den Verdacht gehabt, der Nemec hat womöglich Komplexe, weil er einen tschechischen Namen hat. Vielleicht macht er deshalb Witze über Tschechenaugen. Weil der Brenner hat schon eine Reihe von psychologischen Schulungen bei der Kripo gemacht, vor allem in den ersten Jahren.
    Dazu muß man wissen, daß der Nemec aus Wien gekommen ist, der Brenner aber aus Puntigam, also wo das Bier herkommt, Puntigamer, also aus der Steiermark, in der Nähe von Graz. Jetzt hat der Brenner erst ein oder zwei Jahre später herausgefunden, daß es in Wien so eine Vorstellung gibt, oder ist es vielleicht auch nur blödes Gerede, daß alle Tschechen wasserblaue Augen haben.
    Aber was rede ich von den Tschechen? Die Toten sind ja Amerikaner gewesen. Eine Fabrik in Detroit hat denen gehört. Und ihrem Schwiegersohn, dem Vergolder Antretter, hat der Sessellift gehört, auf dem man sie dann gefunden hat. Das hat die Polizei natürlich, schon am ersten Tag herausgefunden. Aber viel mehr ist dann nicht mehr dazugekommen. Und jetzt geht der Brenner her und kriegt ein Dreivierteljahr später heraus, wer es gewesen ist! Jetzt muß man wissen, was das für ein Mensch gewesen ist. Wie soll ich sagen, nicht leicht zu beschreiben. Zum Beispiel hat es ihn gestört, wenn ihn einer, mit dem er per du ist, mit dem Nachnamen anredet. Aber bei der Polizei ist es eben so, daß sich die Leute mit dem Nachnamen anreden.
    «Schau nicht so mit deinen Tschechenaugen, Brenner!»
    Das hat er sich natürlich von den Kollegen dann öfter anhören müssen, weil der Schmeller und der Tunzinger es natürlich weitererzählt haben. Und da hat es gar nichts genützt, daß sie den Schmeller ein halbes Jahr später erschossen haben, weil die anderen Kollegen, die nicht dabei waren, haben es inzwischen längst aufgeschnappt gehabt und auch gesagt.
    Aber richtig Kopfweh hat ihm das nie bereitet. Weder das mit den Tschechenaugen noch das mit dem Namen. So richtig Kopfweh hat dem Brenner überhaupt nur eine Sache bereitet, und das ist sein eigener Kopf gewesen.
    Dazu mußt du wissen, an dem Tag, wo er bei der Polizei aufgehört hat, hat er aus einem gewissen Dings heraus auch mit dem Rauchen aufgehört. Und genau seit der Zeit hat er mindestens zweimal im Monat einen Migräneanfall, daß er kaum mehr aus seinen Tschechenaugen herausschauen kann.
    Jetzt hat er natürlich wieder nicht gewußt, kommt
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