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Auf einmal ist Hoffnung

Titel: Auf einmal ist Hoffnung
Autoren: Burk Michael
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revolutionärer Organisationen.
    Aber ein paar Villen waren den Spitzen der Revolution vorbehalten, so unter anderem auch Telesphoros Vacas. Er bewohnte eine Villa, in der es sogar noch luxuriöse Möbel der ursprünglichen Besitzer gab, eine Bibliothek, wertvolle antike Schränke und als Prunkstück einen pompösen Beichtstuhl.
    Roberto Rocha lebte ebenfalls in einer Villa, in Laguitos, ganz in der Nähe seines früheren Elternhauses. Als einem der führenden Ärzte des neuen Staates unterstanden ihm in Havanna zwanzig Kliniken und einhundertachtzehn ärztliche Untersuchungsstellen.
    Er fuhr einen Ford Falcon als Dienstwagen, bezog eine doppelte Libreta, eine Lebensmittelkarte, als sei er verheiratet, und konnte sich eine ›Garconniere‹ im Stadtteil Vedado leisten, in der seine Geliebte wohnte.
    Er führte ein weitaus aufwendigeres Leben als selbst Telesphoro Vacas. Was er mit der Libreta nicht bekam, bezog er ›Por la libre‹, im freien Handel. Das verschlang zwar viel Geld, aber Roberto Rocha nahm eben nun mal im Land eine Sonderstellung ein. Daß er deshalb viele Neider hatte, verstand sich von selbst. Auch Vacas zählte dazu.
    Hätte diese Angelegenheit nicht schnelles, fachmännisches Handeln verlangt, wäre Telesphoro Vacas sicher nicht mit Roberto Rocha in Verbindung getreten. Noch dazu geheim.
    Rocha war von der Revolution damals mit offenen Armen aufgenommen worden. Je mehr Jahre aber vergingen, desto deutlicher zeigte es sich für die führenden Männer der Parteispitze, zu der sich auch Vacas rechnete, daß Rocha nie wirklich einer der ihren geworden war. Zuviel an ihm war konservativ geblieben.
    Nein, er war gewiß kein echter Compañero, dachte Telesphoro Vacas, als er das Nacional erreichte. Er zögerte einen Augenblick. Dann ging er entschlossen durch die Drehtür und betrat das Foyer des Hotels. Ihm blieb keine Wahl. Er mußte auf Rocha setzen.
    Er ging an der ausladenden Reception vorbei, den auch am hellen Tag erleuchteten Flur entlang zur Treppe, die in den Zwischenstock führte. Der abgetretene Teppich dämpfte seine Schritte. Vor dem Separé Número Siete hielt er kurz an, vergewisserte sich mit einem raschen Blick, daß niemand ihn beobachtete, und verschwand in der Tür.
    Es war ein kleiner Raum, in dessen Mitte ein runder Tisch mit acht Stühlen aus edlem Amboynaholz stand. Es gab kein Fenster, nur einen schmalen Luftschacht, an dem die Airconditioning angebracht war, die ein schwerer Vorhang verdeckte. Auf dem Tisch standen eine Karaffe mit Eiswasser und zwei Gläser.
    Rotseidene, etwas verschlissene Tapeten, ein blinder Spiegel mit versilbertem Rahmen, ein wackliger Dumb Waiter aus Coromandel: es war noch die Einrichtung aus früheren Zeiten, alte, heruntergekommene Pracht.
    Roberto Rocha stand hinter einem der Stühle, die Hände auf der Lehne, und schaute dem eintretenden Vacas entgegen. Er grüßte flüchtig, ohne seine Haltung zu verändern.
    Vacas drehte den Schlüssel, der im Schloß der Tür steckte, zweimal herum. »Ich will ganz sichergehen.« Seine Stimme klang fett. Dann sah er Rocha an. Dessen schlanker, durchtrainierter Körper, das gute Aussehen – blauschwarzes Haar, gepflegter, voller Schnurrbart, weiche Lippen, intelligente Augen – mißfielen Vacas.
    Roberto Rocha stand unbeweglich und schwieg.
    »Es ist nicht mit ein paar Worten gesagt, Compañero Berto, und im Sitzen spricht es sich leichter.« Telesphoro Vacas schob sich unmißverständlich einen Stuhl zurecht, setzte sich, deutete auf einen anderen Stuhl und goß sich Wasser in ein Glas. »Das Wetter meint es gut mit unserer Zuckerrohrernte. Aber bei meinem Gewicht leide ich unter der Hitze.« Er trank das Glas auf einen Zug aus, zog sein Taschentuch heraus und wischte sich stöhnend den Schweiß von der Stirn.
    Rocha schwieg noch immer und setzte sich bedächtig Vacas gegenüber.
    Beide Männer trugen kein Jackett, sie hatten die Hemden offen und die Ärmel hochgekrempelt. Vacas hatte sein Jackett achtlos auf einen der Stühle geworfen. Rocha sah Vacas erwartungsvoll an.
    »Auch ein Glas?« Vacas schob den Wasserkrug über den Tisch.
    Rocha verneinte stumm. Sein Gesichtsausdruck zeigte deutliches Mißfallen über die Verabredung. Seine Zeit war ihm kostbar. Er hatte das Gefühl, daß er sie hier unnötig vergeudete. Hätte ihn nicht der mächtige Präsident des ›Poder Popular‹ um diese Unterredung gebeten, wäre er wohl kaum auf eine Zusammenkunft eingegangen.
    »Es handelt sich um eine Sache, die keine
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