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Auf einmal ist Hoffnung

Titel: Auf einmal ist Hoffnung
Autoren: Burk Michael
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seit beinahe einer Stunde beobachteten, nahm er in seiner Überschwenglichkeit nicht wahr.
    Erst als der eine die Straße überquert hatte und auf einmal die Ladentür öffnete, so daß der dumpfe Summton einsetzte, wurde Monroe Kahn auf ihn aufmerksam. Der Mann war etwa Mitte Vierzig, groß und schlank, sein ausdrucksvolles Gesicht geprägt von intelligenten Augen, weichen Lippen, einem gepflegten, vollen Schnurrbart und dichten, blauschwarzen Haaren. Ein südländischer Typ, Monroe Kahn siedelte ihn irgendwo in der Karibik an.
    »Guten Abend, Sir«, sagte der Mann mit tiefer, wohlklingender Stimme.
    Obwohl er höflich grüßte und auch vertrauenswürdig aussah, war er Monroe Kahn nicht ganz geheuer. »Sie haben kein Glück, Sir«, antwortete er reserviert, »ich schließe gerade.«
    »Tun Sie es ruhig«, sagte der Fremde mit unbewegtem Ausdruck, »was ich mit Ihnen zu besprechen habe, ist sowieso nur für uns beide bestimmt.«
    Monroe Kahns Mißtrauen verstärkte sich. Er wünschte, May Tsang wäre noch da. Allein durch ihre Anwesenheit hätte er sich in dieser Situation wohler gefühlt. Doch wenn er auf das Pflichtbewußtsein seiner alten chinesischen Mitarbeiterin vertrauen durfte, dachte er, würde sie ohnehin noch mal ins Büro zurückkommen, denn sie hatte vorhin vergessen, ihm die Quittung über die Einzahlung der Einnahmen an die Bank auszuhändigen. Aber im Augenblick war sie eben nicht da.
    »Es tut mir leid, Sir«, sagte er zu dem Fremden, und seine Stimme klang noch brüchiger als gewöhnlich, »ich habe jetzt leider keine Zeit für eine Unterhaltung.« Und wie um den Mann abzuschrecken, rief er laut nach hinten in Richtung Büro: »May, vergessen Sie nicht, daß Corporal Brown jeden Moment kommen kann, sperren Sie ihm die Bürotür auf.«
    »Meinen Sie die Chinesin?« fragte der Fremde ruhig.
    Monroe Kahn war starr vor Überraschung und brachte kein Wort heraus.
    »Wir haben sie weggehen sehen«, sagte der Mann selbstsicher und fügte nach einer Gedankenpause hinzu: »Wollen wir nicht in Ihrem Büro sprechen?«
    Monroe Kahn schwieg.
    »Bueno, ich kann es Ihnen auch hier sagen. – Sie waren heute früh noch in Galveston. Habe ich recht?« Es klang selbstbewußt.
    Monroe Kahn erschrak. Woher wußte dieser Mann von seiner Reise nach Texas?
    »Sie waren bei Louis Hornberger.« Der Fremde betonte jedes Wort drohend.
    »Was wollen Sie von mir?« Kahns brüchige Stimme schwankte.
    »Können Sie es sich nicht denken?« fragte der Fremde kühl.
    »Nein«, log Kahn, doch es kam eine Spur zu laut. Er ahnte, worauf der andere anspielte, und seine Angst wuchs ins unermeßliche. Ihm wurde heiß. Seine Schläfen pochten wie wild. Er war nur noch zu einem einzigen Gedanken fähig: Lieber Gott, laß mir sofort jemanden zu Hilfe kommen, May Tsang, oder einen späten Kunden oder tatsächlich Corporal Brown, der manchmal hier vorbeischaute, obgleich nur am frühen Morgen, wenn er seinen Rundgang begann.
    Wie aus weiter Ferne hörte er den Fremden auf sich einreden, drängend, fordernd und schließlich in unverhüllter Erpressung. Monroes Kehle war wie zugeschnürt. Sein Herz schlug rasend. Er konnte die Worte des anderen nicht mehr klar aufnehmen.
    Doch auf einmal war da noch ein zweiter Mann, ein junger mit brutaler Stimme. »Hey, du alter Sack, gib das Ding heraus, oder ich mach dich fertig!« schrie er Kahn an, packte ihn an der Krawatte und würgte ihn.
    Monroe Kahn rang nach Luft, stieß unkontrollierte Worte der Angst hervor, wollte davonlaufen, da schlug ihm der Junge mit der Faust ins Gesicht, daß sich sein Mund mit Blut füllte.
    Nein! Hilfe! Hilfe! wollte er schreien, doch er brachte keinen Ton heraus. Er fühlte sich ohnmächtig den beiden Männern ausgeliefert und betete im stillen um sein Leben. Er dachte an seine Tochter Jennifer und flehte den Himmel an, daß er sie beschützen möge. Und unwillkürlich kam ihm das Neujahrsgebet in den Sinn, das ihm schon sein Vater beigebracht hatte: Wir sind deine Kinder, wir sind deine Diener, erbarme dich unser wie der Vater seiner Kinder, an dir hängen unsere Augen, bis du uns Gnade schenkst.
    Wie in Trance nahm er wahr, wie ihm der Junge die Faust in den Magen drosch, wie er ihn immer wieder anherrschte: »Gib das Zeug heraus!«, ihn schlug und trat und stieß, daß er taumelte, wie er ihm mit einem Stück Eisen einen Hieb gegen den Hinterkopf versetzte, der ihm die Besinnung nahm, daß er schließlich das Gleichgewicht verlor, sich an einem Möbel festhalten
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