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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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und klopfte dabei auf sein Tagebuch. Genau das wurde in dem Bericht, den ich über die Expedition gelesen hatte, bezweifelt, und wenn man Burke und seine Gefährten am Lake Massacre gesehen hatte, dann hatte der Schreiber dieser Zeilen verdammt Recht gehabt.
    »Dreißig Meilen?« Ich lachte trocken auf. »Dreißig Meilen! Ihr habt noch nicht einmal zehn geschafft.« Trotzdem hatten sie den Dig Tree erreicht, aber viel später als am achten Mai. Und das war in der Geschichte, die inzwischen keine Gültigkeit mehr hatte, ihr Verderben gewesen. »Und wenn ihr hier angekommen wärt, was hättet ihr dann gemacht?«
    »Wir hätten versucht, nach Menindee zu kommen«, warf King trotzig ein.
    Gerade das hatten sie aber in jener anderen Welt nicht gemacht. Sie waren den Cooper hinuntergezogen, hatten dann versucht, Mount Hopeless zu erreichen, waren, ob der Unmöglichkeit dieses Unterfangens, enttäuscht und nahezu ohne Vorräte umgekehrt. Burke und Wills waren dann Ende Juni hier irgendwo gestorben.
    »Über vierhundert Meilen?« Meine Stimme klang sarkastischer, als ich eigentlich beabsichtigt hatte. »Ihr habt ja keine Ahnung. Ihr hattet ja schon keine Ahnung, als ihr von Melbourne losgezogen seid. Die ganze Expedition war doch ein einziges Desaster.« Ich hatte inzwischen irgendwie die Nase voll. Eigentlich konnten sie ja nichts dafür, aber dieser ständige Seiltanz zwischen dem, was ich wusste, und dem, was ich davon mitteilen konnte, ließ meine Nerven blank liegen. Am liebsten hätte ich ihnen einfach gesagt, hört zu, ich weiß aus den Geschichtsbüchern genau, was passiert ist, denn ich stamme aus der Zukunft. Ich weiß, dass Brahe morgen hier eintreffen wird, und dass ihr ohne mich schon so gut wie tot wärt.
    »Was heißt hier Desaster?«, fragte Burke aufgebracht. »Wir haben als erste den Kontinent durchquert und den Golf von Carpentaria erreicht. Wir werden in die Geschichtsbücher eingehen als die Männer, die Australien erschlossen haben. Uns werden Denkmäler gesetzt werden.«
    Eitel war er auch noch und vielleicht hatte er sogar Recht. Zumindest in dieser neuen Variante. »Warum streiten wir uns?«, fragte ich nach einer Weile des Schweigens resignierend. »Wir müssen mit der Situation fertigwerden, wie sie ist.« Und auf einmal kam mir der Gedanke, dass die Sache noch nicht ausgestanden war. Was wäre, wenn Brahe nicht kam und sich das Universum einen ganz gemeinen Trick ausgedacht hatte? »Warten wir ab, was der morgige Tag bringt«, meinte ich mehr erschöpft als versöhnlich. »Ich leg mich jetzt aufs Ohr.«
    Als ich in meinem Swag lag, der immer noch ziemlich feucht von dem Bad im Fluss war, hörte ich Burke und seine Gefährten noch lange Zeit mit gedämpften Stimmen reden, bevor ich endlich einschlief.

 
10
     
    Der nächste Tag brachte nicht viel, außer dass wir umherschlichen und die drei Männer Pläne für ihr weiteres Vorgehen schmiedeten, die mich nicht miteinschlossen. Nachdem sie wohl akzeptiert hatten, dass mein Wagen nicht weiter von Nutzen war, hatte wohl auch ich meine Schuldigkeit getan. Ich hielt mich abseits und hoffte auf Brahe, doch als die Sonne an diesem unendlich bleiernen Tag im Zenit stand, schmolz meine Hoffnung dahin. Immer wieder ging mir der Gedanke durch den Kopf, was für ein Idiot ich gewesen war, mich mit dem Gang der Geschichte anlegen zu wollen. Wäre ich hier im Lager geblieben und mit Brahe zurück nach Menindee gegangen, hätte ich zumindest mein eigenes Leben gerettet. Jetzt würden wir alle zusammen hier draußen sterben. Alle bis auf King, korrigierte ich mich. Er würde es mithilfe irgendwelcher Abos schaffen. Ich musste durchhalten bis zum September. Dann würde eine Rettungsmannschaft unter der Führung von Alfred Howitt hier eintreffen. Auf keinen Fall durfte ich mich auf das aussichtslose Unternehmen, die Polizeistation am Mount Hopeless, mehr als einhundertfünfzig Meilen von hier, zu erreichen. Und ich musste versuchen, auch die anderen davon abzubringen. Doch immer wieder kreisten meine Gedanken um Brahe und Wright. Mein Kalender entsprach genau dem von Brahe, was aber, wenn dieser nicht mit dem tatsächlichen Datum übereinstimmte und in den späteren Darstellungen, so wie ich sie kannte, diese Ungenauigkeiten einfach angeglichen worden waren? Es gab keine Möglichkeit, sich darüber Gewissheit zu verschaffen. Wenn Brahe sich nur um zwei Tage geirrt hatte und statt heute zu kommen schon vorgestern hier gewesen war, dann konnte ich mir am Besten
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