Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren
Autoren: Alexander Borell
Vom Netzwerk:
schien nicht dazu da, Liebenswürdigkeiten zu sagen. Er war der Typ eines harten, erbarmungslosen Großwildjägers.
    Ein Polizist und der Sanitäter hoben nun den Toten auf eine Trage.
    »Kennen Sie ihn?« hörte ich den Leutnant fragen.
    Ich hatte mir diese Frage schon die ganze Zeit gestellt, aber dieses leblose, wächserne Gesicht mit den halbgeschlossenen Augen und der unglaublich spitzen Nase sagte mir gar nichts.
    »Nein, Leutnant. Ich habe weder eine Ahnung, wer das ist, noch wie er hierhergekommen sein könnte, und ich weiß auch nicht, warum er hier erschossen wurde.«
    Ich konnte nicht sehen, was Morris sich bei meiner Antwort dachte. Er griff in die Taschen des Toten und zog eine Brieftasche und ein Notizbuch heraus. Nun sah ich, wie er seine Augenbrauen nach oben zog. Wortlos reichte er mir die aufgeschlagene Brieftasche.
    Obenauf lag die Lizenz eines Privatdetektivs, ausgestellt in Los Angeles auf den Namen Benjamin Rogers. Das Foto sah anders aus als der Tote, und nun dämmerte bei mir eine leise Erinnerung. Irgendwann hatte ich Benjamin Rogers kennengelernt, aber ich wußte nicht mehr, wann, wo und bei welcher Gelegenheit das gewesen war.
    »Sie kennen ihn also nicht?« fragte der Leutnant. Sein Blick ruhte nun fast gelangweilt auf mir.
    »Kennen wäre zuviel gesagt, Leutnant. Ich kann mich jetzt zwar an diesen Namen erinnern und weiß, daß ich schon mal mit ihm zu tun hatte, aber das ist schon lange her, mindestens — ich weiß es nicht, wann es war.«
    Er flüsterte dem Polizisten etwas zu, der daraufhin sofort hinausging.
    »Was wollte Rogers bei Ihnen?«
    »Woher soll ich das wissen?« gab ich ärgerlich zurück.
    »Und wo sind Sie gewesen? Der Doktor sagte, der Mann sei schon seit drei Tagen tot?«
    »Ich bin Montag früh nach Arizona geflogen, im Aufträge meiner Zeitung, um die Regenmacher zu interviewen und...«
    »Wen?«
    Ich erklärte es ihm und fuhr fort: »Ich bin soeben erst zurückgekommen.«
    »An der Haustür«, sagte er nachdenklich, »sind keine Spuren zu sehen. War sie verschlossen?«
    »Ja.«
    Er deutete auf meine chinesische Aschenschale, die auf dem Tisch stand. Es lagen vier Zigarettenstummel drin.
    »Sind die von Ihnen? Bitte nicht anfassen.«
    Ich schaute die Stummel an.
    »Nein. Ich rauche nur...«
    »Schon gut, danke. Ein bißchen viel Asche für vier Zigaretten, nicht wahr?«
    Er ging an mir vorbei in die Diele hinaus, zog die Handschuhe an, die er bisher immer in der Hand getragen hatte, und nahm den Revolver auf. Er öffnete die Klappe und drehte die Trommel durch.
    »Es sind fünf Schuß abgefeuert worden«, sagte er. »Haben Sie die Waffe angefaßt?«
    »ja, natürlich, das sagte ich Ihnen doch schon. Sie lag, als ich hereinkam, hier auf dem Boden. Ich stieß mit dem Fuß dran, und später habe ich sie aufgehoben und hierhergelegt. Ich wußte ja noch nicht, daß...«
    »Kennen Sie die Waffe? Natürlich auch nicht.«
    »Doch, leider. Es ist mein eigener Revolver. Ich hatte ihn immer in meinem Nachttisch.«
    »Hm«, machte er nur, legte den Revolver wieder auf den Tisch, und dann schaute er mich eine Weile nachdenklich an.
    Der Polizist kam herein und meldete: »Sie sagt, daß sie ihn kennt.«
    Der Leutnant wandte sich an mich:
    »Die Dame draußen ist Miss June Tresker?«
    »Ja.«
    »Ihre Freundin?«
    »Nein, unsere Chefsekretärin. Ich arbeite als Reporter bei >The News< in Los Angeles. Sie hat mich vom Flugplatz abgeholt. Ich kam mit der ersten Maschine aus Phoenix. Wir sind direkt hierhergefahren.«
    »Und Sie sind nicht mit ihr befreundet?«
    »Befreundet? O doch, das schon. Aber wir haben kein Verhältnis miteinander, wenn Sie das wissen wollten.«
    Er lächelte zum erstenmal, und nun sah er plötzlich gar nicht mehr so hart aus.
    »Genau das wollte ich wissen, aber Miss Tresker ist klüger als Sie. Was wollten Sie hier tun? Arbeiten?«
    »Wieso?« fragte ich zurück. »Diese Frage verstehe ich nicht. Ich komme von einer Reise zurück und habe das Bedürfnis, nach Hause zu fahren, um meine Klamotten zu wechseln.«
    »Und dazu begleitet Sie die Chefsekretärin Ihrer Zeitung?«
    »Und warum denn nicht?«
    Wieder lächelte er. Er schien mir nun wie ein guter Onkel zu sein und wurde mir beinahe sympathisch.
    »Darüber könnte man seine Gedanken haben, Mr. Warner«, bemerkte er. »Ist das bei Ihrer Zeitung üblich, daß Reporter von der Chefsekretärin abgeholt und nach Hause begleitet werden?«
    »Zum Teufel noch mal, Leutnant, ich finde Ihre Fragen höchst
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher