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Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren
Autoren: Alexander Borell
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hat Onkel Harry Geld gegeben, und Onkel Harry hat ihm immer gesagt, mit wem und was du telefoniert hast. Aber du darfst mich nicht verraten, Jimmy! Hast du denn was ausgefressen?«
    »Eigentlich nicht, Peggy. Und Kriminale geben nie Geld, wenn sie was wissen wollen. Leb wohl, Peggy. Vielen Dank. Und vielleicht komm’ ich doch noch mal vorbei.«
    Sie bekam noch einen Kuß auf die Lippen, die heiß und trocken waren, und dann schlenderte ich hinaus zu der Zweimotorigen, kletterte die Treppe hinauf und setzte mich auf meinen Platz. An der Sperre sah ich das weiße Kostüm und das violette Hütchen. Peggy winkte mir mit ihrem Taschentuch, und ich winkte zurück.
    Die Motoren wurden angeworfen, und wenige Augenblicke später jagte die Maschine über die Rollbahn, erhob sich über die trockene, gelbrote Erde und brauste nach Nordwesten, in Richtung Los Angeles ab.
    Über den Bergen wurde ein Imbiß serviert. Ich hatte bis dahin stumpfsinnig vor mich hingedöst, vielleicht auch ein kleines Nickerchen gemacht; nun aber interessierte ich mich für die Passagiere. Einer von ihnen fiel mir auf. Er war klein, schmächtig, hatte glattes, pechschwarzes Haar und beinahe ebenso schwarze Augen.
    Unsere Blicke kreuzten sich sekundenlang.
    Ich zwang mich, meinen Schinken mit Ei möglichst unbefangen zu verzehren, und ich zwang mich, nicht dorthin zu schauen, wo dieser schwarzbraune Bursche saß. Einmal aber tat ich es doch, und wieder waren seine Augen auf mich gerichtet.
    Nach dem Frühstück ließ ich mir von der Stewardeß die Morgenzeitungen bringen.
    Teils um mir die Zeit zu vertreiben, teils weil sie wirklich hübsch war, fing ich ein Gespräch mit der Stewardeß an. Es stellte sich bald heraus, daß sie Evelyn hieß, 25 Jahre alt und in San Bernardino zu Hause war und daß sie meine regelmäßige Donnerstagspalte »Wer wird wen heiraten?« aufmerksam verfolgte.
    »Könnten Sie mal«, sagte ich leise, »in der Passagierliste nachsehen, wer dieser Herr dort drüben ist? Ja, der kleine Schwarze.«
    »Eigentlich«, meinte sie, »darf ich das nicht. Aber für die Presse kann ich vielleicht eine Ausnahme machen.«
    Sie ging zur Kabine vor. Sie war hoch und schlank gewachsen und hatte langes, welliges Haar, das hellblond schimmerte, genauso blond wie Billys Haar.
    Sie kam zurück, beugte sich über meine Schulter, so daß ich die zarte Spitze ihrer Wäsche bewundern konnte, und sagte:
    »Er heißt Oliver Marton und fliegt weiter nach San Francisco. Ist es ein berühmter Mann?«
    Er schaute gerade nicht her. Ich nahm meine Kamera, stellte Entfernung und Verschluß ein und drückte sie dem Mädchen in die Hand.
    »Wahrscheinlich ein sehr berühmter. Bitte, Kindchen, sei nett und schieß ihn von der Kabine aus ab, aber so, daß er’s nicht merkt. Wenn ich’s tun würde, gäb’s vermutlich Krach. Wenn du gedrückt hast, drehst du weiter und drückst noch mal. Hier muß man durchschauen und — «
    »Ich weiß Bescheid«, sagte sie, steckte die Kamera unter ihre Jacke und verschwand vorn in der Kabine.
    Nach zehn Minuten kam sie wieder.
    »Ich gebe Ihnen die Kamera am besten in Los Angeles zurück«, sagte sie. »Ich habe fünfmal geknipst. Er hat nichts gemerkt. Gut gemacht, was? Wer ist es denn?«
    »Der größte Diamantenhändler von Brasilien«, behauptete ich. »Aber vielleicht irre ich mich auch. Jedenfalls vielen Dank.«
    Ich weiß nicht mehr, was ich mir dabei in Wirklichkeit dachte. Vielleicht war es tatsächlich nur ein harmloser Mr. Marton, vielleicht auch hatte er sich in der vergangenen Nacht Johnson genannt, und ich fing wieder an zu grübeln. Wer konnte Billys Tod gewollt haben? Wer fühlte sich von Billy bedroht oder in die Enge getrieben, so sehr, daß er den Jungen aus dem Wege räumen mußte? Wer hatte auf mich geschossen? Warum? Und wer wollte über meine Telefonate informiert sein?
    Pünktlich um 9.34 Uhr setzte die Maschine zur Landung an, und sechs Minuten später konnte ich aussteigen. Ich ließ mir Zeit dazu und hängte mir die Kamera schußbereit tun, die mir Evelyn zurückgab. Ich beobachtete Mr. Oliver Marton, der vor mir her auf die Sperre zuging, verlor ihn dann aber aus den Augen.
    Schon von weitem sah ich Junes rotes Haar leuchten. Ich blickte mich um, konnte aber kein anderes Mädchen entdecken, das so aussah, als warte es auf mich.
    June Tresker trug ein taubengraues Kostüm, und auf ihrem feuerroten Haar saß eine sportliche weiße Kappe mit einem großen Schirm, der ihre grauen Augen beschattete. June
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