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Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren
Autoren: Alexander Borell
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nur noch 20 Schritte von dem Absturz entfernt. Die Brandung war hier so stark zu hören, daß wir lauter sprechen mußten. Das flache Plateau war hier zu Ende. Das Gelände wurde hügelig, und überall lagen Felsblöcke verstreut herum.
    »Schade«, sagte Bowler, »Sie sind doch ein Narr. Ist Ihnen eine Million zuwenig?«
    Ich blieb stehen und hoffte, er würde vielleicht noch ein Stückchen weitergehen, so daß ich ihn zwischen mir und dem Abgrund hatte. Aber er war auf der Hut und blieb ebenfalls stehen.
    »Wieviel sind Sie sich selbst wert?« fragte ich.
    Wieder kam sein leises Lachen.
    »Ich bin unbezahlbar, Warner. Ich könnte Sie jetzt einfach über den Haufen knallen und nach Hause fahren. Glauben Sie, daß mich ein Mensch in Los Angeles für einen Mörder halten würde? Und glauben Sie, daß andere auch so dumm sind wie Sie und sich nicht kaufen lassen?«
    »Wenn Sie die Absicht hätten zu schießen«, sagte ich, »dann hätten Sie es längst getan. Ein Schuß ist aber immer Mord, während das dort...«, ich deutete zum Meer hinaus, »...aber das dort kann ein Unfall sein. Wahrscheinlich waren Sie sogar vorsichtig genug, nicht einmal eine Waffe mitzunehmen.«
    »Wirklich!« antwortete er. »Ich bewundere Sie, Warner. Solch einen Mann habe ich mir schon immer gewünscht. Und zum ersten Male in meinem Leben hätte ich nicht einmal etwas dagegen, wenn June Sie heiraten wollte.«
    »Lassen Sie June aus dem Spiel, Bowler! Sie sind mir von neulich noch eine Revanche schuldig. Meinen Sie nicht, daß Zeit und Ort jetzt ganz günstig wären?«
    »Sie Narr!« wiederholte er. »Sie sentimentaler Narr!«
    Eine Weile konnte ich ihm standhalten. Es gelang mir sogar, auch ihm ein paar schwere Schläge beizubringen, aber dann fühlte ich, daß ich gegen Stahl kämpfen mußte, gegen Stahl, der keine Lunge und kein Herz zu haben schien. Er trieb mich langsam immer näher an den Absturz.
    Ich wußte nun, daß ich wirklich ein Narr gewesen war. Ich hatte verspielt. Es gab für mich jetzt nur noch die eine Möglichkeit: Ich mußte ihn wieder zu fassen kriegen!
    Ich warf mich durch den Hagel seiner Schläge auf ihn. Der Anprall warf uns beide zu Boden, aber wieder konnte er sich freikämpfen. Wir kamen gleichzeitig auf die Beine. Und nun hagelten seine Schläge auf mich ein. Einer traf mich am Auge und brannte wie Feuer.
    Wenn ich schon diesen Kampf verlieren mußte, dann sollte er ihn auch nicht gewinnen: wir beide würden über die Klippen hinabstürzen!
    Noch einmal, zum letztenmal, nahm ich meine ganzen Kräfte zusammen und ging, in einer irrsinnigen Wut blindlings um mich schlagend, auf ihn los. Er wich zwei oder drei Schritte zurück. Was ich dann noch sah, war eine Pistole in seiner Hand.
    In diesem Augenblick zuckte dicht vor uns ein grelles Licht auf, ein paar kleine, scharfe Stichflammen, und dann hörte ich es ein paarmal hart und kurz knallen.
    Bowler warf die Arme hoch und schlug langsam vornüber.
    Plötzlich war alles hell um mich her. Von allen Seiten blendete mich das Licht greller Lampen, und von überallher kamen Polizisten gerannt.
    Ein untersetzter Mann mit einem breiten Gesicht stand vor mir.
    »Sie Idiot!« knurrte Inspektor Smith, »machen Sie, daß Sie so schnell wie möglich aus meinen Augen kommen. Noch mehr solche Burschen wie Sie, und ich würde mich noch heute nacht pensionieren lassen.«
    Ich konnte es eine ganze Weile nicht fassen, daß alles vorbei war und daß ich noch lebte. Ich wischte mir die Augen aus, weil ich dachte, es wären Tränen, aber meine Finger wurden rot.
    »Woher... wußten Sie es, Inspektor? Wie sind Sie hierhergekommen? «
    »Das Mädel«, sagte er, »seine Tochter. Ich war im Krankenhaus. Sie hatte gerade noch Zeit genug, mir alles zu sagen.«
    »Dann — ist sie tot?«
    Er klopfte mir mit seiner Schmiedehand auf die Schulter, daß ich beinahe in die Knie ging.
    »Schon gut, Warner«, sagte er, »schon gut. Kommen Sie morgen vormittag in mein Büro. Und wenn mein Zorn bis dahin verraucht ist, sage ich Ihnen vielleicht sogar danke schön. Aber jetzt...«, er wandte sich um, winkte einen der Polizisten heran und sagte: »Fahren Sie den Mann nach Hause.«
    Ich ging, ohne hinzublicken, an der Stelle vorbei, wo Bowler lag, und setzte mich dann neben den Polizisten in meinen Wagen. Ein Polizeiwagen fuhr hinter uns her.
    »Was war da eigentlich los?« wollte der junge Polizist unterwegs wissen.
    »Das weiß ich selbst nicht genau«, gab ich zur Antwort. Wahrscheinlich hielt er mich
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