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Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren
Autoren: Alexander Borell
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sie?«
    »Ich denke, im Krankenhaus. San Pedro.«
    Sekundenlang überlegte ich, ob ich nach San Pedro zurückfahren und mich um June kümmern sollte. Vielleicht war Hazlitt bei ihr?
    Aber dann zog es mich mit magischer Gewalt zu den Klippen.
    Ich lenkte meinen Wagen vorsichtig an der Unfallstelle vorbei und fuhr weiter in westlicher Richtung.
    Etwa eine Viertelmeile vor der Stelle, wo Bill und ich immer geparkt hatten, wenn wir zum Baden gingen, stand ein dunkelgrüner Packard auf der rechten Straßenseite. Im Vorbeifahren konnte ich nicht sehen, ob jemand drin saß. Es mußte aber jemand drinsitzen, denn der Wagen kam mir nach!
    Als ich endlich hielt, blieb auch dieser andere Wagen dicht hinter mir stehen. Gleichzeitig mit mir stieg Hazlitt aus.
    »Welch ein Zufall!« sagte er, auf mich zukommend. »Ich nehme an, Sie wollten baden gehen, Mr. Warner.«
    Ob er wußte, daß wenige Meilen weiter östlich seine Tochter verunglückt war?
    »Eigentlich«, sagte ich, »habe ich heute keine große Lust zu baden. Ich hatte mich hier verabredet.«
    »Oh«, machte er, »hoffentlich störe ich dann nicht.«
    Er stand nun ziemlich dicht vor mir. Ich machte eine Handbewegung in der Richtung, wo man die Brandung rauschen hörte.
    »Kommen Sie, Mr. Hazlitt, wir wissen beide gleich gut, weshalb wir hier sind.«
    Wir überquerten die Straße.
    »Kann sein«, sagte er. »Aber ich muß zugeben, daß es mich ein wenig überrascht, daß Sie das wissen.«
    »Das ganze Leben besteht aus Überraschungen. Waren Sie schon mal hier? Haben Sie sich die Stelle schon einmal angesehen, wo Bill Nicholas verunglückt ist?«
    Wir arbeiteten uns durch die Ginsterbüsche und kamen auf das steinige Plateau hinaus. Vor uns lag das Meer, aber bis zu den felsigen Abstürzen waren es noch mindestens 50 Schritte. Hazlitt beantwortete meine Frage nicht. Ich blieb stehen.
    »Das war’s, was ich mir gewünscht habe: hier an dieser Stelle dem Mörder meines Freundes gegenüber zu stehen.«
    »Hoffen Sie ernstlich, daß dieser Wunsch in Erfüllung geht?«
    »Ich bin überzeugt davon, Mr. Hazlitt. Ich halte Sie für den Mörder Bills.«
    »Ist das«, sagte er ruhig, »was Sie da eben sagten, eine Annahme, oder haben Sie auch schon den Beweis?«
    Ich merkte, daß er nun auch nicht mehr länger Verstecken spielte, und sagte:
    »Nelly Bowler war vorhin bei mir.«
    Am Himmel war kein Mond, aber die Reflexe der Sterne und des weiten Himmels ließen mich sein Gesicht genau erkennen. Er stand nur vier Schritte von mir entfernt.
    »Das erspart mir eine längere Präambel«, sagte er endlich. »Wenn es mich auch sehr betrübt, daß June so selbständig gehandelt hat. Immerhin trägt nun auch das zur Klärung der Situation bei. Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen, Warner.«
    »Bitte.«
    »Ich nehme an, daß ich Ihnen meine Einstellung zum Leben und zu den Menschen bereits genügend erklärt habe. Nichts bereitet mir so sehr geradezu körperliche Qualen wie die Dummheit der Menschen. Ich habe sie für meine Unternehmungen ausgenützt, und ich glaube, sie verdienen es nicht anders. Sie sind genauso überflüssig wie Ameisen oder Wespen, und es steht Menschen wie mir und Ihnen zu, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Die Sphäre meiner Interessen und meines Einflusses erstreckt sich heute über die ganze Welt, auf der überall Blut fließt, damit ein paar Leute — darunter ich — dem wahren Sinn des Lebens gemäß verfahren können. Mein Vermögen ist so groß, daß ich es selbst kaum noch abschätzen kann. Aber die Arbeit wird zuviel für June und mich. Wir brauchen einen Kopf. Seit Jahren suche ich diesen Kopf. Nennen Sie mir die Summe, Warner, die Sie sich wünschen!«
    »Die Rechnung, Bowler, die zwischen uns beiden noch offensteht, lautet nur auf Bill Nicholas.«
    Ich fing an, mich langsam, Schritt für Schritt, näher zu den Klippen zu bewegen. Bowler folgte mir im gleichen Abstand nach.
    »Ich würde es mir nie verzeihen«, sagte er, »wenn ich mich in Ihnen getäuscht hätte. Wissen Sie denn, wie viele Menschen täglich auf der Welt geboren werden und wie viele sterben? Wollen Sie allen Ernstes behaupten, es käme auf ein Menschenleben mehr oder weniger an?«
    »Nein«, sagte ich, »das wohl nicht. Aber Sie haben mindestens einen Menschen zuviel umgebracht; denn gerade Bill Nicholas war mein Freund.«
    Ich sah seine weißen Zähne blitzen und hörte sein leises Lachen, das mir neulich so gut gefallen hatte. Jetzt gefiel es mir gar nicht mehr.
    Wir standen jetzt
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