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Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren
Autoren: Alexander Borell
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mitteilen.
    Im Hotel versuchte ich, June Tresker in Los Angeles zu erreichen, aber sie meldete sich nicht. Dann lieh ich mir Peggy vom Hotelmanager aus und fuhr mit ihr hinaus in die Hügel.
    »Was ist los mit dir, Jimmy?« fragte sie nach einer Weile. »Wenn du nicht mit mir reden willst, hättest du mich auch nicht mitzunehmen brauchen.«
    »Doch, Peggy. Gerade deshalb. Ich mag nicht allein sein. Mein Freund Bill Nicholas ist in Los Angeles tödlich verunglückt. Ich hab’s gerade vorhin erfahren.«
    Sie legte ihre schmale, gepflegte Hand auf meine, mit der ich das Steuer hielt. Himmel und Hölle, kein Mann ist allein, solange es noch hübsche Mädchen gibt! Und doch ist er es; denn alle hübschen Mädchen der Welt wiegen nicht so schwer wie ein einziger Freund.
    Wir saßen vor einer kleinen Kneipe, nicht weit von der Straße, mitten in den Bergen, und hatten ein Windlicht vor uns auf dem Tisch stehen. Aus dem dunklen Tal herauf wehte, kaum spürbar, ein kühler Hauch, der den Geruch von Holzfeuer mitbrachte. Die Kerzenflamme bewegte sich sachte. Ihr Licht tanzte wie ein winziges Pünktchen in Peggys großen, dunklen Augen.
    »Du solltest aufhören zu trinken, Jimmy.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Keine Angst, Kleine, ich werde bestimmt nicht vor dir einschlafen! Er hatte keine Eltern mehr, weißt du, und er kam mit seinen Sorgen immer zu mir. Er war erst vierundzwanzig, und er dachte immer, er sei schon ein erwachsener Mann. Und wenn ich ihm sagte, er solle dies oder jenes nicht tun, dann tat er’s erst recht, und ich war froh, daß er mir immer wieder die Chance gab, ihn aus der Patsche zu ziehen. Aber aus dieser Patsche kann ich ihn nicht mehr herausziehen. Ob er wieder einmal zu schnell gefahren ist? Ich konnte es immer so deichseln, daß unsere Redaktion seine Strafmandate über Unkosten bezahlte. Diesmal hat er selbst bezahlen müssen. Und morgen fliege ich nach Yuma und schreibe einen so begeisterten Artikel über mexikanische Zuchtstiere, daß die Leute meinen werden, für mich gebe es nichts Großartigeres und Wichtigeres auf der Welt als einen mexikanischen Zuchtstier. Pfui Teufel! Komm, Peggy, fahren wir nach Hause. Setz du dich ans Steuer, ich bin jetzt doch zu voll.«
    Ich war natürlich nicht betrunken, aber ich wollte Peggy beschäftigen, um in Ruhe nachdenken zu können.
    Sie ließ sich auf der kurvenreichen Straße viel Zeit, und meine Rechnung, sie beschäftigt zu haben, ging nicht auf.
    »Bist du eigentlich verheiratet, Jimmy?« fragte sie bald nach unserer Abfahrt.
    »Nicht mehr«, sagte ich. »Schon lange nicht mehr, Peggy. Ich war genau zehn Jahre jünger, als ich Shirley heiratete. Aber dann ging’s mir schlecht, ich meine wirtschaftlich. Es ging mir schlechter, als es einem gutbürgerlichen Ehemann gehen darf, und Shirley war enttäuscht. Sie löste diese Situation auf ihre Art, das heißt, sie machte die Entdeckung, daß von wenig Geld einer allein besser leben kann. Sie enthob mich also der Verantwortung, für sie zu sorgen, indem sie rasch einen Mann heiratete, der Gewürze fabrizierte. Sie schenkte ihm ihren Frohsinn und drei gesunde Kinder, soviel ich weiß.«
    In der Stadt gab ich den Wagen ab, den ich mir für die paar Tage geliehen hatte, und kehrte mit Peggy ins Hotel zurück. Wir gingen durch den Hintereingang auf mein Zimmer und setzten uns zusammen auf den Balkon. Peggy bekam sehnsüchtige Augen.
    »Weißt du, Jimmy«, sagte sie nachdenklich, »ich würde für dich arbeiten, wenn’s dir mal nicht gutgeht.«
    »ich weiß, Peggy«, sagte ich müde, »und das wäre noch schlimmer. Lassen wir’s lieber so, wie’s jetzt ist.«
    »Kommst du bald wieder hierher?«
    »Kann sein. Aber dann werde ich in einem anderen Hotel wohnen, weil man nichts aufwärmen soll, was hübsch gewesen ist.«
    Sie schlang ihren nackten Arm um meinen Nacken und zog mich an sich.
    »War’s wirklich hübsch, Jimmy?«
    Vielleicht war es immer noch zu heiß, vielleicht hatte ich wirklich zuviel Alkohol im Blut, oder vielleicht war es einfach nur deshalb, weil ich dauernd an Bill Nicholas denken mußte: Dieses Mädchen jedenfalls fiel mir jetzt auf die Nerven.
    Das Telefon war meine Rettung.
    »Hallo, Mr. Warner«, sagte die Stimme der Zentrale, »Sie werden aus Los Angeles verlangt. Ich verbinde.«
    Und dann hörte ich eine Frauenstimme. Es war eine weiche, leise Stimme, die klang, als ob die Frau ängstlich sei.
    »Mr. Warner?«
    »Ja, selbst am Apparat.«
    »Bitte kommen Sie sofort zurück, Mr. Warner!
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