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Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren
Autoren: Alexander Borell
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Schlüssel von 74.«
    Der Mann sah nicht so aus, als sei er sein Leben lang im Hotelfach gewesen.
    Ich lehnte mich über die Theke.
    »Wieviel haben Sie denn dafür bekommen?« fragte ich sanft, »wie sah der Bursche aus, und warum hat er auf mich geschossen?«
    Der Portier drehte eine Zigarette in den Fingern, schob sie langsam zwischen seine schmalen Lippen, zündete sie aber nicht an.
    »50 Dollar, Sir«, sagte er. »Wieviel ist’s Ihnen wert?«
    Ich wußte genau, daß ich keine fünfzig mehr in der Tasche hatte.
    »Zehn.«
    Ich legte ihm das Geld auf den Tisch, aber er schaute gar nicht hin.
    »Das Zimmer«, sagte er, »war für Mr. Johnson aus Los Angeles reserviert. Der Mann kam ohne Gepäck, ich meine, ohne großes Gepäck, er hatte nur einen mittelgroßen Koffer bei sich. Etwa so groß wie Ihrer. Und der schien nicht sehr schwer zu sein. Er sagte mir, er wolle nur ein paar Stunden schlafen, und es wäre ihm angenehm, wenn ich kein großes Aufhebens davon machen würde. 50 Dollar sind 50 Dollar, Sir.«
    »Gewiß«, sagte ich, »für so viel Geld tut man allerhand. Wie sah er aus?«
    Der Portier faltete meine Zehndollarnote zusammen und steckte sie ein.
    »Weiß ich nicht für die 10 Bucks.«
    Mir schien die ganze Sache keine weiteren 10 Dollar wert.
    Ich richtete mich auf, nahm meinen Koffer und tippte an meinen Hut.
    »Vielen Dank«, sagte ich, »und grüßen Sie Peggy von mir.«
    Von einem Taxi ließ ich mich zum Flugplatz bringen.

    Bis zum Start der Maschine um 6.25 Uhr hatte ich noch über eine halbe Stunde Zeit. Ich setzte mich in die Morgensonne auf die Terrasse des Restaurants, von wo aus man die Rollbahn sehen kann, und ließ mir ein Frühstück bringen.
    Eine Dame in schneeweißem Kostüm, mit einem Hütchen aus violetten Seidenblumen auf dem kurzen schwarzen Haar setzte sich plötzlich neben mich.
    Diese Dame war Peggy.
    Sie war ganz außer Atem.
    »Gut, daß ich dich noch treffe, Jimmy!« plapperte sie los, »ich wollte dir nur sagen, daß du nicht schlecht von mir denken darfst.«
    »Tu’ ich nicht, Peggy.«
    »Ich hab’ nämlich wirklich nicht gewußt«, fuhr sie fort, »daß dieser Kerl auf dich schießen würde.«
    Ich gab mir Mühe, gleichgültig zu bleiben.
    »Meinst Du Mr. Johnson?«
    Sie nickte eifrig.
    »Ja. Onkel Harry rief mich und sagte — «
    »Wer ist Onkel Harry?«
    »Onkel Harry hilft als Nachtportier aus. Watson ist nämlich krank, und da macht es Onkel Harry für ihn. Er rief mich und sagte, ich solle Mr. Johnson auf 74 hinauf bringen, Mr. Johnson wolle nur ein paar Stunden ungestört schlafen.«
    »Aha«, machte ich, »vielleicht ist er Nachtwandler?«
    »Ja«, nickte sie, verbesserte sich dann aber: »Das weiß ich nicht. Ich ging dann in mein Zimmer, und dann hatte ich so schreckliche Sehnsucht nach dir, und ich dachte, vielleicht... vielleicht würdest du mich nicht wieder fortschicken. Aber als ich gerade auf deinem Korridor war, hörte ich den Schuß, und ich bekam Angst und bin davongelaufen. Ich wollte auch nicht, daß mich der Manager erwischt, denn nachts — na, du weißt ja. Aber da wußte ich noch gar nicht, daß man auf dich geschossen hatte.«
    »Es galt auch sicherlich nicht mir«, sagte ich. »Wie sah denn dieser Mr. Johnson aus?«
    »Er war sehr klein und schmal, so richtig eine halbe Portion, weißt du. Ich könnt’ mich ja niemals für so einen Kavalier erwärmen. Er geht dir höchstens bis dahin — und überhaupt ist es ein Typ, den ich nicht mag. Ganz schwarze Haare, dunkle Augen und braune Haut, weißt du.«
    Sie streichelte meine Hand, trank einen Schluck von meinem Kaffee, wobei die Tasse einen roten Fleck bekam, und dann schaute sie mich schmachtend an.
    »Ich mag die Großen, Blonden viel lieber, Jimmy. Du bist mir doch nicht böse, oder? Aber das konnte ich ja wirklich nicht ahnen, und dann... und dann... hatte ich eben Angst. Ich hätte gewiß gleich herunterkommen sollen und dir alles sagen, nicht?«
    »Schon gut, Peggy«, sagte ich und blickte auf die Uhr. »Ich muß jetzt hinaus, sonst versäume ich mein Flugzeug.«
    Ich stand auf, zahlte mein Frühstück, hängte mir meine Kamera um und ging zur Sperre. Peggy ging trippelnd neben mir her; sie war keine so hohen Absätze gewöhnt. Außerdem schien es mir, als drücke sie noch etwas. Ich nahm sie an den Ellenbogen, zog sie an mich und küßte sie.
    »Sei vorsichtig, Jimmy«, flüsterte sie in mein Ohr, »sei vorsichtig! Sie sind hinter dir her. Da ist nämlich noch einer, ein Kriminaler, der
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