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Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren
Autoren: Alexander Borell
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Revolver!
    Als ich schließlich den dritten Raum, mein Wohnzimmer, betreten wollte, prallte ich schon unter der Tür zurück. Aus dem Dunkel kam mir ein Geruch entgegen, der mir den Atem verschlug und den ich vom Krieg her noch in Erinnerung hatte. Durch eine Ritze im Laden fiel ein schwacher Lichtschimmer, so daß ich wenigstens ungefähr erkennen konnte, was los war.
    Mitten im Zimmer lag ein Toter...

2

    Ich schloß die Tür zum Wohnzimmer wieder und sagte zu June: »Es ist etwas passiert, etwas Schreckliches. In meinem Zimmer liegt ein Toter. Ich möchte nicht hineingehen, und ich möchte nichts anfassen. Würdest du den Wagen nehmen und nach San Fernando hinunterfahren, um die Polizei zu holen?«
    Ihre grauen Augen wurden ganz groß.
    »Ein — toter Mann?«
    »Ja. Ich will nicht, daß du es siehst.«
    »Wer ist es? Kennst du ihn?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Nein, ich glaube nicht. Es ist zu dunkel. Er liegt auf dem Boden. Willst du bitte fahren?«
    »Ja, selbstverständlich.«
    Ich begleitete sie hinaus und wartete, bis sie im Walde verschwunden war. Dann holte ich meine Taschenlampe und leuchtete von der Tür aus ins Zimmer.
    Da lag auf dem Boden, vor meinem großen Polstersessel, ein Mann auf seinem Gesicht. Ich konnte nicht erkennen, wer es war; jedenfalls keiner von meinen Bekannten.
    Sancho Pansa wollte sich neugierig zwischen meinen Beinen hindurch ins Zimmer drängen, aber ich zog ihn am Schwanz zurück und schloß die Tür. Ich ging hinaus, setzte mich auf den Holzstoß und zündete mir eine Zigarette an.
    Bill Nicholas verunglückt oder ermordet — jemand, der auf mich geschossen hat — jemand, der sich als Detektiv ausgibt und meine Telefongespräche überwacht — ein toter Mann in meinem Zimmer — ich hatte plötzlich das Gefühl, als habe sich etwas um mich zusammengezogen, etwas Grauenhaftes und Gefährliches, aber ich wußte nicht, was es war.
    Eine gute halbe Stunde später hörte ich Motorengebrumm. Ein Jeep kam den holprigen Waldweg herauf, dem ein Sanitätswagen folgte, und das Ende dieser Kolonne bildete mein Wagen, in dem June mit zwei Männern saß. Die Wagen hielten. Die beiden Polizisten, die den Jeep gefahren hatten, stiegen aus und blieben abwartend stehen. Die beiden Männer kletterten aus meinem Wagen, June blieb sitzen.
    Der eine war lang, hager und weißhaarig, der andere genauso groß, aber doppelt so breit, mit einer Glatze und einem Kranz schwarzer Haare im Genick. Der Weißhaarige kam auf mich zu und zeigte mir seinen Ausweis.
    »Ich bin Leutnant Morris«, sagte er. »Ich bin der Stellvertreter des Sheriffs. Sie haben einen Toten entdeckt?«
    »Ja, in meinem Zimmer.«
    »Kennen Sie ihn?«
    »Nein. Ich war auch nicht drin. Ich wollte — «
    »Schon gut«, winkte Morris ab. »Das ist der Doktor Robeson. — Wo?«
    Ich führte die beiden Männer ins Haus. Der Leutnant entdeckte sofort den Revolver, den ich aufgehoben und auf das Tischchen unter dem Spiegel gelegt hatte.
    »Gehört der dazu?« fragte Morris.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Er lag hier auf dem Boden, als ich hereinkam.«
    Sie betraten das Zimmer. Der Arzt wandte sich mürrisch zu mir um.
    »Können Sie denn hier kein Licht machen?«
    »Doch. Ich muß aber dazu das Fenster öffnen, und ich dachte...«
    »Na dann los, dalli!« knurrte er. »Worauf warten Sie denn noch?«
    Ich öffnete das Fenster, hängte den Laden aus, und als das grelle Licht hereinströmte, schaute ich auf den Toten. Mein grüner Teppich, auf dem er lag, war rings um seinen Körper dunkelbraun verfärbt. Das Blut war aber schon eingetrocknet.
    Der Arzt beugte sich hinunter, richtete sich wieder auf und sagte zu Morris:
    »Das ist schon mindestens drei Tage her. Wollen Sie ihn erst fotografieren, ehe ich ihn umdrehe?«
    Der Leutnant ging wortlos zur Tür und pfiff einem der beiden Polizisten, der mit einer Kamera hereinkam. Er machte drei Aufnahmen und half dann dem Arzt, den Toten auf den Rücken zu drehen.
    Der Arzt zog die Mundwinkel nach unten.
    »Erschossen«, sagte er. »Drei oder vier Schüsse mindestens. Muß ja eine wilde Kanonade gewesen sein. Lassen Sie ihn zu mir runterschaffen, Leutnant, ich erstelle dann einen Bericht.«
    Ich hatte inzwischen nicht nur den Toten, sondern auch den Leutnant beobachtet. Er war jünger, als ich im ersten Augenblick angenommen hatte. Sein braungegerbtes, verwittertes Gesicht hatte energische Züge, seine wasserhellen Augen gingen flink hin und her, und sein Mund mit den messerscharfen Lippen
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