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Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)

Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)

Titel: Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)
Autoren: Celia Rees
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hatte. Er hat das ganze Vorhaben an sich gerissen und sie dann mit den Fähigkeiten des Großmeisters ausmanövriert. Sie schweigt, als hätte sie keine Antwort darauf. Er hat ihr keinen Ausweg gelassen.
    Die Tränen auf ihrem Gesicht sind getrocknet. Sie beißt die Zähne zusammen. Ein kleiner Muskel zuckt in ihrer Wange. Sie fährt jetzt ausgeglichen, mit mehr Selbstvertrauen, doch ihre Knöchel sind weiß, wo sie das Lenkrad gepackt hält. Ihr scheinbarer Gleichmut maskiert ihren Zorn. Sie kämpft darum, ihre Wut unter Kontrolle zu halten.
    »Rob!« Ich drehe mich um. Wir nähern uns jetzt der Innenstadt, sind nur noch Minuten vom Parkhaus entfernt. Von da oben hat er die ganze Stadt vor sich, nicht nur die Schule. Die Polizeistation, die Umgehungsstraße, was auch immer. Ich weiß, dass er für Argumente nicht mehr zugänglich ist, aber ich muss es versuchen. Ich schätze, dass er mich nicht erschießt, nicht jetzt, nicht in einer Straße voller Autos und Menschen. »Du kannst nicht   … «
    Ich kann den Satz nicht beenden.
    »Ich hab dir gesagt, du sollst dein verdammtes Maul halten!« Mit dem Pistolenlauf schlägt er mir hart seitlich gegen den Kopf. Ich sehe doppelt, kann nichts hören, so laut klingt es in meinen Ohren, und ich spüre, wie es mir feucht durch die Haare sickert. Ich fasse mir an die Stirn. Meine Hand ist rot vor Blut.
    Caro wendet den Kopf, um mich anzusehen, wobei sie automatisch den Fuß vom Gas nimmt.
    »Nicht anhalten«, knurrt er sie an. Wir fahren jetzt durch das Stadtzentrum, auf die Brücke über den Fluss zu. Um uns herum sind massenhaft Menschen, die aus Bussen steigen, vom Bahnhof kommen, mit Kaffeebechern aus den Cafés treten. »Fahr weiter, oder er ist dran, du auch und alle um uns herum.«
    Einen Augenblick denke ich, sie würde ihm nicht gehorchen. Als sie das Blut sieht, das mir übers Gesicht sickert, werden ihre Augen groß vor Schreck. Der Motor droht, abgewürgt zu werden. Ich strecke ihr die Hand hin, die gespreizten Finger klebrig und rot.«
    »Das Blut ist echt, Caro! Wie viel mehr willst du noch vergießen?«
    »Im Handschuhfach sind Papiertücher.« Das ist alles, was sie sagt. Sie beschleunigt wieder, die Augen nach vorne gerichtet, die Maske ist wieder da.
    »Du bist verrückt, das ist dir doch wohl klar!«
    »Ich hab dir gesagt, dass du das nicht sagen sollst!« Er klopft mir wieder mit der Pistole gegen den Kopf, doch diesmal sanft, es ist fast ein Streicheln. »Aber vielleicht bin ich es, kleiner Bruder, vielleicht. Liegt in der Familie.«
    Wir nähern uns jetzt der Brücke. Die Bauarbeiten dort sind noch nicht beendet, der Verkehr wird immer noch einspurig,von der Behelfsampel geregelt, darübergeleitet. Als wir ankommen, springen die Lichter gerade um. Caro bremst ab, als würde sie gleich anhalten.
    »Da bleibt jetzt nur noch eines zu tun.« Sie flüstert das so leise, dass nur ich es hören kann. Dann sagt sie mit leiser und bestimmter Stimme: »Raus aus dem Auto.« Sie sagt es wieder, laut und entschieden, schreit mir die Worte ins Ohr: »RAUS AUS DEM AUTO!«
    Schon habe ich die Tür offen und tauche seitlich ab, raus aus seiner Schusslinie. Sie gibt Vollgas, fährt an der Ampel vorbei, die gerade auf Rot gesprungen ist. Sie hat die lange Brücke für sich allein. Sie tritt das Gaspedal durch, der Wagen wird immer schneller. Arbeiter drehen sich um, aufgeschreckt vom Aufheulen des Motors, vom Quietschen der Reifen auf Asphalt. Dann, etwa halbwegs über die Brücke weg, da, wo das steinerne Geländer von einer provisorischen Holzkonstruktion ersetzt ist, schert sie hart nach links aus. Der Wagen rast auf den Bürgersteig, Arbeiter schreien und stürzen aus dem Weg. Ich höre die hölzerne Absperrung splittern, und dann folgt ein gewaltiges Platschen, als der Wagen mit der Nase nach vorn in den Fluss stürzt und sofort untergeht.
    Für einen Moment herrscht totale Stille, nur das Klatschen des verdrängten Wassers ist zu hören. Die Zeit scheint sich zu verlangsamen und dann ganz anzuhalten, sodass alle für einen Moment wie erstarrt sind und zu der Stelle starren, wo dieses außerordentliche Geschehen stattgefunden hat, die kurze Störung ihres täglichen Lebens. Dann fährt alles wieder hoch, die Leute laufen durcheinander, rufen nach Hilfe, rasen zur Brücke. Ich rappele mich auf und renne ebenfalls.
    Ich weiß nicht, was ich zu sehen erwarte, als ich ans Geländer komme. Vielleicht, dass sie auftaucht. Sie ist immerhin eine gute und ausdauernde
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