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Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)

Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)

Titel: Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)
Autoren: Celia Rees
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Schwimmerin. Wasser ist ihr Element. Hat sie mir gesagt. Sie wird freikommen, Leute entkommen aus solchen Situationen. Sie wird sich hinauswinden und an die Oberfläche schwimmen. Sie wird aus dem Wasser auftauchen wie eine Flussjungfrau – eine Nixe, eine Loreley. Jeden Moment wird sie erscheinen. Sie muss überleben. Ihren Tod zu akzeptieren kommt mir unmöglich vor. Und er wird ihr hinterherkommen. Er ist der geborene Überlebenskünstler. Auch sein Tod ist undenkbar für mich. Er hat einen Krieg überlebt – wie könnte ihn das hier umbringen?
    Die Sekunden strecken sich zu einer Minute, zwei Minuten. Menschen hängen über der Brücke, säumen die Ufer, angezogen von dem Drama, von dem Spektakel. Nicht in der Lage, irgendetwas zu tun, beugen sie sich vor, konzentrieren sich auf den Fleck aufgewühlten Wassers, deuten und gestikulieren mit hilflos flatternden Händen. Die Zeit vertickt. Der Tumult im Wasser hat sich aufgelöst. Der Fluss strömt wieder in gewohnter Weise.

36
    Ich stehe da und starre auf die Stelle, während Bereitschaftsdienste eintreffen und die Polizei mit der Befragung von Zeugen beginnt und wissen will, ob irgendjemand weiß, wer die Insassen des Fahrzeugs waren. Ich empfinde eine verquere Schuld, als ob ich die beiden im Stich gelassen hätte. Mir hat die Kraft gefehlt, sie aufzuhalten. Ich hatte nicht ihren Mut, ihre Tapferkeit. Ich konnte mit keinem von beiden leben oder sterben wie sie. Ich bin am Leben, habe überlebt. Ich empfinde gleichermaßen Erleichterung und Schuld und merke dann, dass ich weine, schluchze, und die Tränen nicht aufhören zu fließen. Ich sehe, wie jemand in der Menge eine junge Polizistin auf mich aufmerksam macht. Sie kommt zu mir und fragt behutsam. »Was ist mit Ihnen? Waren Sie in den Unfall verwickelt?«
    Ich bin nicht fähig, etwas zu sagen und nicke nur.
    »Haben Sie gesehen, was passiert ist? Wissen Sie, wer der Fahrer ist?«
    Ich nicke wieder und erzähle ihr, dass mein Bruder mit im Wagen saß. Sage ihr, dass es noch etwas gibt, was sie wissen müssen. Sie nimmt mich rücksichtsvoll am Arm und bringt mich zu ihremVorgesetzten. Eben wird ein Schlauch-Rettungsboot zu Wasser gelassen und Polizeitaucher überprüfen ihre Ausrüstung. Ich muss sie aufhalten und vor der Bombe warnen. Ich befürchte, dass sie mir nicht glauben, doch sie nehmen meine Warnung ernst. Sofort eskaliert die Angelegenheit von einem tragischen Unfall zu einem terroristischen Vorfall. Die Arbeit wird unterbrochen, die ganze Umgebung abgeriegelt, die Leute der Bombenentschärfung treffen ein. Taucher werden nach unten geschickt. Der Wagen wird gehoben, steht jetzt abgeschirmt in einem weißen Zelt, die Insassen immer noch darin, während die Experten daran arbeiten, die Bombe zu entschärfen.
    Ein Sanitäter kümmert sich um meine Platzwunde, säubert mich einigermaßen, dann werde ich auf die Polizeistation gebracht und sehr lange befragt. Ich halte an meiner Geschichte fest, dass Caro eine Geisel war, dass wir beide unschuldig sind und keine Ahnung hatten, was Rob vorhatte. Niemand wird jemals genau erfahren, was sie in das Wasser stürzen ließ, doch alle nehmen an, dass es Caro war, die sich entschlossen hatte, ihr Leben zu opfern, um andere zu retten. Das hat sie zur Heldin werden lassen.

37
    Ich habe die Berichte der beiden und meinen eigenen zusammengefügt. Wenn es irgendeine Erklärung gibt, dann ist sie hier zu finden. Rob hat sein Videotagebuch ins Netz gestellt. Für manche Leute ist er ein Held. Es gab eine Menge Zugriffe darauf, bis es dort gelöscht wurde. Caros Mutter brachte mir den Rucksack, den ich in ihrem Haus zurückgelassen hatte. Darin steckte Caros Notizbuch, mit einem roten Band zusammengebunden. Auf dem Einband steht:
    Für Dich
    Ich trauere jeden Tag um die beiden, doch tatsächlich ist das nicht so einfach. Ich bin wütend auf sie, auf das, was sie gemacht haben. Dass sie so früh gegangen sind, mich alleine gelassen haben. Aber es wäre unehrlich von mir, nicht zuzugeben, dass ich in gewisser Weise auch dankbar dafür bin, dass sie nicht länger da sind und mein Leben ins Chaos stürzen und mich verletzen. Das Schreiben darüber hat es leichter gemacht, diese Gefühle zu verstehen und zu ertragen.
Was du nicht ändern kannst, mit
dem musst du leben
, hat Großvater immer gesagt. Ich werde damit mein ganzes Leben lang leben. Aber immerhin werde ich ein Leben haben.
    Ich bin jetzt bereit, mich zu verabschieden. Die Urne ist zwar schwer, schwerer, als man
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